— 46 —
‚In der neuen Reichsverfassung liegen die Dinge nicht so ein-
fach. .Die.Zahl der an der Gesetzgebung beteiligten Subjekte ist
wesentlich größer, sie ist mehr als verdoppelt worden. Reichstag
und Reicharat, Reichsregierung und Reichspräsident, daneben der
Reichswirtschafterat spielen ihre Rolle; auch das souveräne
Volk als Ganzes tritt auf den Plan, da die Verfassung die
Einrichtungen.der Volksinitiative und des Referendums dem Rechte
der sehweizerischen, amerikanischen und australischen Demokratien
abgeborgt, freilich auch diesem gegenüber selbständig ausgestaltet
hat. Schon dieser Umstand, daneben aber noch manches andere
macht die Angelegenheit im Vergleiche mit dem uns gewohnten
Rechtszustande sehr verwickelt. Sehen wir fürs erste von den be-
sonderen Vorschriften für Verfassungsänderungen ab, und beginnen
wir, wie billig, mit der Gesetzesinitiative.
IV.
Man spricht richtigerweise von einem Rechte der Initia-
tive nur dann, wenn der Urheber eines Gresetzentwurfs von einem
Organe der Gesetzgebung verlangen kann, daß es sich mit
seinem Vorschlage beschäftige und auf den Vorschlag eine Er-
klärung abgebe. Gesetzentwürfe anzufertigen, ist ein allgemeines
Menschenrecht. Niemandem, der dazu Beruf oder Neigung in
sich verspürt, ist es verwehrt, seine Gedanken über ein ihm er-
wünscht scheinendes Gesetz in Paragraphen zu fassen. Aber nicht
jeder Staatsbürger hat ein Recht der Gesetzesinitiativee Zwar
kann jedermann durch Petitionen den Gesetzgeber ersuchen,
sich mit irgendwelchen gesetzgeberischen Plänen zu befassen. Aber
nicht jedermann kann von ihm begehren, daß er zu ihnen
Stellung nimmt.
hand, damit er noch in letzter Stunde Nein sagen konnte, auch wenn er
durch die Einbringung eines Gesetzentwurfs sein Ja in Aussicht gestellt hatte.
Aber sein Ja spielte für das Zustandekommen eines Gesetzes keine andere
Rolle als das des Reichstags, ebenso wie das Ja des Präsidenten eines
Kollegiums keine andere Bedeutung für den Kollegialbeschluß besitzt als
das Ja der andern Kollegialmitglieder.