Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

— 419 — 
sie wird auch jetzt noch gehandhabt?®. Ob das so bleiben, 
und wie sich üherhaupt unter dem System der parlamentarischen 
Regierung die Reichstagsinitiative gestalten wird, ist fraglich. Die 
Vermutung spricht dafür, daß sie keine sehr große praktische 
Bedeutung gewinnen wird. Bei dem engen Zusammenhange, der 
zwischen der Reichstagsmehrheit und der Reichsregierung besteht, 
ist es der Mehrheit nicht schwer, die Regierung zur Einbringung 
gewünschter Gesetzentwürfe zu veranlassen; die Mitglieder des 
Reichstags können sich die Mühe eigener Vorarbeiten sparen, die 
mindestens für größere Gesetzentwürfe erforderlich sind. Auf der 
andern Seite kann zwar weder die Regierung, noch die Reichstags- 
mehrheit die Stellung von Gesetzesanträgen durch Außenseiter oder 
durch die Minderheitsparteien verhindern. Aber bei dem Einflusse, 
den wiederum die Regierung auf die Parlamentsmehrheit und auf 
einen dieser gefügigen Vorsitzenden auszuüben vermag, ist es ihr 
ein Leichtes, die Beratung und Verabschiedung der ihr unbequemen 
Anträge zu verhindern oder doch zu verzögern. Dies wird durch 
die Erfahrungen aus andern Staaten mit parlamentarischer Re- 
gierung, namentlich aus England, bestätigt”. Soweit es bei der 
kurzen Zeit, in der die neue Reichsverfassung in Kraft steht, 
möglich ist, ein Urteil zu äußern, wird man sagen können, daß 
  
  
28 S. aber Drucks. der Nationalvers. Nr. 1789. Hier bringt der 23. Aus- 
schuß als solcher einen Gesetzentwurf ein. Der Antrag ist nur vom 
Vorsitzenden und Schriftführer unterzeichnet. Obwohl der Antrag auf 
einem einstimmigen Ausschußbeschlusse beruhte (Sten. B. S. 4140), wider- 
spricht der Vorgang dem $ 22 der Gesch.O. 
2° In England liegen allerdings die Verbältnisse formell insofern anders, 
als dort die Initiative überhaupt nur beim Parlamente ruht. Sie wird aber 
tatsächlich zumeist von den Ministern als den Führern der Unterhaus- 
mehrheit ausgeübt, und die Praxis der Geschäftsbehandlung sorgt dafür, 
daß die Entwürfe der „private members“ völlig hinter denen des „Executive 
Government“ zurücktreten ; sie haben nur geringe Aussicht, überhaupt zur 
Verhandlung zu kommen. Vgl. die interessante Darstellung bei ILBERT, 
Legislative methods and forms (Oxford 1901), S. 98 ff. und darnach Har- 
SCHEK, Englisches Staatsrecht 1, S. 444 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.