Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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des Art. 68 die Regierung als Kollegium zu verstehen ist oder 
nicht. Im ersten Falle müßte jeder Gesetzentwurf von der Reichs- 
regierung äls soleher dem Reichstage vorgelegt werden. Er müßte 
die Unterschrift des Reichskanzlers als des Vorsitzenden des Kol- 
legiums tragen (Art. 52, 55); ein Ressortminister dürfte ihn nur 
im Namen und Auftrage der Reichsregierung an den Reichstag 
bringen, selbst wenn der Entwurf ausschließlich in seinem Mini- 
sterium ausgearbeitet worden wäre und der Inhalt nur den von 
ihm geleiteten besonderen Geschäftszweig berührte. Im anderen 
Falle könnte ein Entwurf zwar vom Gesamtkabinett beim Reichs- 
tage vorgelegt, er könnte aber auch von dem zuständigen Fach- 
minister im eigenen Namen eingebracht werden. Die Frage hat 
weniger eine sachliche, als eine formelle Bedeutung. Denn auch 
wenn der Ressortminister befugt wäre, dem Reichstage einen Ent- 
wurf als den seinigen zugehen zu lassen, so könnte er das doch 
niemals tun, ohne daß er ihn zuvor dem Kabinette unterbreitet, 
und ohne daß dieses über ihn beraten und beschlossen hätte (Art. 
57). Immerhin ist die Angelegenheit, wie ich meine, nicht völlig 
gleichgültig. 
In der Praxis, die sich bereits seit dem Inkrafttreten der 
Reichsverfassung gebildet hat, istesnur ganz vereinzeltvorgekommen, 
daß der Reichskanzler als soleher dem Reichstage einen Gesetzent- 
wurf vorgelegt hat, der der Initiative der Reichsregierung ent- 
stammte°?®. Ganz regelmäßig legen die einzelnen Reichsminister die 
Entwürfe proprio nomine vor°®. Sie tun dies, ohne auf den vorange- 
32 Vgl. den Entwurf eines Ges. betr. Aenderung des Bankgesetzes, der 
Nationalversammlung vorgelegt am 6. Dezember 1919 (Drucks. Nr. 1681). 
s® Aus der großen Zahl der schon bis jetzt eingebrachten Entwürfe 
vgl. etwa die Drucks. Nr. 809-811 (Reichspostminister), 855 (Reichswehr- 
minister), 894, 921, 1180, 1724 (Reichsminister des Auswärtigen), 928, 1750 
(Reichsarbeitsminister), 1710 (Reichsminister des Innern), 1453, 1486, 1741, 
1791 (Reichsminister der Justiz), Die Steuergesetze sind sämtlich vom 
Reichsminister der Finanzen eingebracht worden, desgleichen die Entwürfe 
zu Etatsgesetzen und Nachtragsetats (Nr. 226, 1046, 1068), wobei freilich 
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIX, 4. 33
	        
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