Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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gemein-politische Bedeutung besitzt. Sie ist nicht bloß die Angelegen- 
heit eines einzelnen Geschäftszweigs (Art. 56), sondern eine all- 
gemeine Staatsangelegenheit. Sie ist dies, weil bei jedem Gesetze 
die Möglichkeit besteht, daß sich im Verlaufe des Verfahrens 
konstitutionelle Konflikte ergeben, die zu Entschliekungen des 
Gesamtkabinetts Veranlassung bieten und seineGesamtverantwortlich- 
keit berühren. Eben darum hat die Verfassung die kollegiale Be- 
ratung und Beschlußfassung der Reichsregierung über jeden 
Gesetzentwurf vorgeschrieben (Art. 57, 58). Diese Beschlußfas- 
sung bedeutet aber auch formell nicht etwa nur eine Genehmigung 
zur Einbringung eines Entwurfs durch den Ressortminister, sondern 
sie stempelt dessen Vorlage zu einem von der Reichsregierung 
beschlossenen Gesetzentwurfe.. Daher ist es die Reichs- 
regierung als solche, die ihn dem Reichstage zu unterbreiten hat. 
Für den Entwurf zum Etatgesetze sollte es sich ganz von 
selbst verstehen, daß er durch die Reichsregierung, nicht durch 
den Reichsfinanzminister eingebracht wird ®”. 
In der Ausübung ihres Initiativrechts ist nun die Reichs- 
regierung in mehrfacher Beziehung gebunden. 
a) Nach Art. 69, Abs. 1 der Verfassung „bedarf“ die Ein- 
bringung von Gesetzesvorlagen der Reichsregierung der „Zustim- 
mung“ des Reichsrats. Das ist schief ausgedrückt. Denn 
der nächste Satz fügt hinzu: „Kommt eine Uebereinstimmung 
zwischen der Reichsregierung und dem Reichsrat nicht zustande, 
so kann die Reichsregierung die Vorlage gleichwohl einbringen, 
hat aber hierbei die abweichende Auffassung des Reichsrats dar- 
zulegen“ ®®. Das heißt also in nüchternem Deutsch: die Reichs- 
  
  
9 Dies ist offenbar auch die Auffassung des Abg. v. DELBRÜOK ge- 
wesen, der auf die Fassung der Vorschriften über die Reichsregierung 
einen maßgebenden Einfluß ausgeübt hat. Vgl. seine Rede in der 27. Sitzg. 
des Verfassungsausschusses v. 10. April 1919, Prot. S. 7. 
3 Die Bestimmung ist dem $ 2, Abs. 1, 4 des RG. über die vorläufige 
Reichsgewalt (RGBl. 8. 169) nachgebildet. Sie ist aber klarer. In der 
Notverfassung hieß es, daß bei Nichtübereinstimmung zwischen Staaten- 
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