Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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Regierung den Reichsrat umgehen, indem sie eine Vorlage durch 
eine ihr nahestehende Partei im Reichstage als „Initiativantrag‘“ 
einbringen läßt. Aber angesichts des Rechts der Landesbevoll- 
mächtigten, an den Beratungen des Reichstags teilzunehmen (Art. 33), 
und angesichts des Rechts des Reichsrats selbst, gegen das vom 
Reichstage beschlossene Gesetz Einspruch zu erheben, hätte ein 
solches Verfahren wenig Zweck. 
Die „abweichende Auffassung“ des Reichsrats, die von der 
Regierung dem Reichstage darzulegen ist, kann darin bestehen, 
daß der Reichsrat die Vorlage ganz oder teilweise ablehnt *!, oder 
darin, daß er ihr einen anderm-Inhalt gegeben zu sehen wünscht. 
Im zweiten Falle bedeutet die Mitteilung an den Reichstag nicht 
etwa die Uebermittelung einer Reichsratsvorlage, die geschäfts- 
ordnungsmäßig vom Reichstage wie eine Regierungsvorlage zu 
behandeln wäre. Auch nicht etwa die Zustellung eines Amende- 
ments, über das der Reichstag förmlich Beschluß zu fassen hätte. 
Die „Darlegung“ ist nichts anderes als ein Teil der „Begründung“ 
des Gesetzentwurfs, richtiger: sie ist ein in die Motive aufgenom- 
menes Gegenargument, das die Regierung gleichzeitig zu ent- 
kräften versuchen wird. Will der Reichsrat seine „abweichende 
Auffassung“ stärker betonen, so muß er von seinem Rechte zur 
Einreichung . einer eigenen (Gesetzesvorlage Gebrauch machen 
(s. unten. Hier würden dann dem Reichstage über denselben 
Gegenstand zwei Vorlagen zugehen,, die beide als „ Regierungsvor- 
lagen“ zu betrachten und zu behandeln wären *?. 
b) Eine weitere Bindung der Reichsregierung in bezug auf 
die Gesetzesinitiative ist durch den „Räteartikel“, den Art. 165 
  
  
eine gründliche Beratung unmöglich gemacht wird. Der Reichsrat hat 
sich kürzlich, bei der Vorlage wichtiger Steuergesetze, gegen solche un- 
billige Zumutung wehren müssen. Zwischen pflichtgemäßer gründlicher 
Behandlung und unerlaubter Verschleppung besteht ein Unterschied! 
4 Vielleicht nur deshalb, weil er den Zeitpunkt der Einbringung für 
nicht richtig gewählt ansieht; GIEsE S. 212. 
#2 Vgl. POETZSOoH 8. 83 oben.
	        
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