Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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Pflicht, eine Reichsratsvorlage, mit der sie einverstanden ist, dem 
Reichstage zuzuführen *. Ob sie sich mit einem Gesetzesantrage 
des Reichsrats einverstanden erklären will, hat sie in Gemäßheit 
des Art. 57 in kollegialer Beratung und Beschlußfassung festzu- 
stellen; denn der Art. 57 bezieht sich auf alle Gesetzentwürfe, 
nicht nur auf solche, die von den Fachministern vorgelegt werden. 
Jedenfalls müssen also alle Gesetzesvorlagen des Reichsrats 
dem Reichstage unterbreitet werden, und der Reichstag ist ver- 
pflichtet, sie zu behandeln und sich auf sie zu erklären. Die Re- 
gierung kann sie im Reichstage bekämpfen, aber sie kann sie 
nicht zurückziehen. Dagegen ist der Reichsrat in der Lage, im 
Reichstage zu erklären, daß er auf den Beginn oder die Fort- 
setzung der Beratung über seine Vorlage keinen Wert lege; die 
Regierung hat diese Erklärung dem Reichstage ebenso zu über- 
mitteln wie die Vorlage selbst. Will sich die Regierung, der 
veränderten Stellung des Reichsrats zuwider, mit der Vorlage identi- 
fizieren, so muß sie dem Reichstage eine neue Vorlage im eigenen 
Namen zugehen lassen. 
Ob der Reichsrat von seinem Tnitiativrechte häufig Gebrauch 
machen wird, steht dahin. Der Schwerpunkt der Initiative wird 
der Natur der Dinge nach immer bei der Reichsregierung liegen. 
Die Initiative des Reichsrats könnte also nur eine Rolle in sol- 
chen Fällen spielen, in denen die Regierung nicht geneigt ist, 
den Weg der Gesetzgebung zu betreten. Aber auch hier wird sich 
der Reichsrat nicht leiebt entschließen, mit einem selbständigen 
Antrage vorzugehen. Die Reichsregierung, die durch eines ihrer Mit- 
glieder den Vorsitz im Reichsrate führt, und deren andere Mit- 
glieder an den Reichsratsberatungen teilnehmen dürfen und bierbei 
“4 Ein Mittel, die Erfüllung der Pflicht zu erzwingen, hat in beiden 
Fällen der Reicherat nicht. Die Unterlassung der Einbringung wäre natür- 
lich eine schwere Verfassungsverletzung. Ob sich der Reichstag in solchem 
Falle zu einer Ministeranklage (Art. 59) entschließen würde, ist eine Frage 
für sich.
	        
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