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für die Vertreter des Bundesrats ebenso. Aber sachlich lagen die
Dinge doch ganz anders.
In welcher Weise innerhalb des Reichsrats ein Initiativ-
antrag gestellt und behandelt wird, ist teils in der Verfassung selbst,
teils in der Geschäftsordnung des Reichsratsgeregelt. Nach dem Wort-
laute der Verfassung kann der Urantrag von jedem „Mitgliede“ des
Reichsrats ausgehen (Art. 66, Abs. 1); der Sache-sach werden
es s immer er Anträge der ] Einzelstaaten sein, die den Stein ıns Rollen
bringen. . Äuch die Reichsregierung kann im Reichsrate Anträge
stellen. Aber da sie ein eigenes Recht der Gesetzesinitiative
besitzt, so hat sie es nicht nötig, den Reichsrat zum Beschlusse
einer Gesetzesvorlage zu veranlassen. Sie wird ihr Antragsrecht
nur ausüben, um auf die Gestaltung einer im Schoße des Reichs-
rats entstehenden Vorlage einen Einfluß zu gewinnen.
4. Eine weitere Möglichkeit der Gesetzesinitiative hat die
Verfassung im Art. 165, Abs. 4 geschaffen. Hier wird dem
Reichswirtschaftsrate das Recht eingeräumt, Gesetzes-
vorlagen, allerdings wieder nur solche von sozial- oder wirt-
schaftspolitischem Inhalte und von grundlegender Bedeutung, zu
„beantragen“. Der Ausdruck ist mißverständlich. Wie der Zu-
sammenhang der Stelle ergibt, kann der Reichswirtschaftsrat nicht
nur einen „Antrag“ an die Regierung richten, daß diese dem
Keichstage ein Gesetz vorlege, sondern er hat das Recht, einen
von ihm selbst formulierten Gesetzentwurf durch die Regierung
dem Reichstage vorlegen zu lassen.
Die Bedeutung der Worte: „sozial- und wirtschaftspolitische
Gesetzentwürfe von grundlegender Bedeutung“ ist hier viel größer
als in dem vorhin besprochenen Satze. Denn die Regierung muß,
ehe sie die Vorlage weitergibt, aufs genaueste prüfen, ob sie
den von der Verfassung vorausgesetzten Charakter besitze. Die
Prüfung hat wieder nach Art. 57 in kollegialer Beratung zu er-
folgen; das Ergebnis ist durch Beschluß festzustellen. Verneint
die Regierung die zu beantwortende Vorfrage, so darf sie den