Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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5. Die Initiative bei der Gesetzgebung kann endlich auch 
vom Volke ausgehen. Nach Art. 73, Abs. 3 der Verfassung 
kann ein Zehntel — das soll natürlich heißen: mindestens ein 
Zehntel — der Stimmberechtigten das „Begehren nach Vorlegung 
eines Gesetzentwurfs“ stellen. Die Klausel ist sehr mangelhaft 
redigiert worden und daher durchaus mißverständlich. Die Initianten 
„begehren“ in Wahrheit nicht die, Vorlegung“ eines Gesetzentwurf, 
sondern sie müssen ihn nach der ausdrücklichen Vorschrift der Ver- 
fassung selbst vorlegen. Weder die Regierung, noch der Reichs- 
tag entspricht einem Begehren nach „Vorlegung“ eines Entwurfs. 
Die Regierung „unterbreitet“ vielmehr dem Reichstage den Entwurf 
der Initianten, und der Reichstag beschließt, wenn er einverstanden 
ist, keinen Entwurf, sondern ein Gesetz (Art. 68, Abs. 2). Denn das 
vom Reichstage, dem Begehren gemäß, „angenommene“ Gesetz ist 
nicht ein Entwurf, der unter allen Umständen dem Volke zur 
Entschließung vorgelegt werden müßte, — wie solches nach auslän- 
dischem, namentlich nach schweizerischem Rechte fast immer 
notwendig ist. Vielmehr findet, wenn der Reichstag den „be- 
gehrten® — richtiger: den von den Initianten vorgelegten — Ent- 
wurf unverändert annimmt, eine Volksabstimmung nicht statt. 
Allerdings ist ein „Volksentscheid“ notwendig, wenn der Reichs- 
tag den vorgelegten Gesetzentwurf mit Aenderungen annimmt. 
Aber auch in diesem Falle enthält der Beschluß des Reichstags 
keinen Gesetzentwurf, sondern ein Gesetz, dem nur möglicherweise 
durch den Ausgang der Volksabstimmung versagt wird, in Kraft 
zu treten. Das Volksbegehren ist also eine ganz echte Initiative 
gegenüber dem Reichsorgan, dem der Gesetzesbeschluß zukommt. 
1919, Sten. B. S. 2187. Der Verfassungsausschuß hatte den Reichswirt- 
schaftsrat in der fraglichen Beziehung dem Reichsrate gleichgestellt 
(Art. 162; Drucks. der Nationalvers. Nr. 391). Das Plenum hat in der 
dritten Lesung die jetzige Fassung beschlossen; Drucks. Nr. 680, Z. 13, 
Sten. B. 8. 2190.
	        
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