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tage bis zur Annahme eines Gesetzentwurfs gestaltet, soll hier
nicht näher gesprochen werden.
V.
Die zweite Stufe des Gesetzgebungsverfahrens nannte ich den
Gesetzesbeschluß. Ich habe nichts dagegen, wenn man
diesem die Bezeichnung „Sanktion“ beilegen will, würde mich in
diesem Falle nur dagegen verwahren, daß man aus dem Ausdrucke
bestimmte Folgerungen bezüglich der juristischen Konstruktion
zöge (s. oben S. 473f.). Sich gegen die Benennung bloß deshalb
zu sträuben, weil sie dem Gedankenkreise des konstitutionell-
monarchischen Staatsrechts entstammt und in republikanischen
Verfassungen regelmäßig nicht vorkommt”, hieße die Sache auf
das Geleise eines Wortstreits schieben. Uebrigens hat schon RoUSs-
SEAU von einer „sanction“* der Gesetze durch die römischen
Komitien gesprochen ®®.
Der Gesetzesbeschluß ist die Erklärung des Inhabers der ge-
setzgebenden Gewalt, daß der Inhalt eines Gesetzentwurfs mit
Rechtsverbindlichkeit ausgestattet werden solle. Diese Erklärung
bildet das Herzstück des Gesetzgebungsverfahrens. Gewiß läßt
sie das Gesetz noch nicht lebendig werden; das besorgt erst die
Verkündung. Aber der Gesetzesbeschluß macht die Verkündung,
wenn sie nicht in dieselbe Hand gelegt ist, zu einer rechtlichen
Notwendigkeit. Er verpflichtet zur Verkündung. Und er bindet
anderseits das „Sanktionsorgan“ selbst. Nachdem es durch den
Gesetzesbeschluß seinen Willen erklärt hat, kann es regelmäßig
seine Erklärung nicht wieder zurücknehmen.
Nach der neuen Reichsverfassung gibt es zwei Subjekte des
57 GIERKE, Grünhuts Zeitschr. 6, S. 229 f. — G. MEYER, Der Anteil der
Reichsorgane an der Reichsgesetzgebung (1889), S. 20.
858 Contrat social, Livre IV, ch.4. Vgl. JELLINEK, Verfassungsänderung
und Verfassungswandlung (1906), S. 35. — Zweis, Die Lehre vom Pouvoir
constituant (1909), S. 255.