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zufassen sein als die Zustimmung zum Erlasse, richtiger: als
der Beschluß über den Erlaß eines Reichsgesetzes, das den
Staatsvertrag in Reichsrecht verwandelt‘. Der äußerlich in der
Gestalt eines internationalen Aktes auftretende Staatsvertrag
wäre also, soweit er nach innen verpflichtende Wirkung haben
soll, nichts anderes als ein vom Reichstage beschlossenes G e-
setz, und er wäre — wie dem Einspruche des Reichsrats
— so auch dem Referendum ausgesetzt. Die Tragweite dieser
Tatsache ist sehr groß; man ist sich ihrer bei der Ausarbeitung
der Verfassung offenbar nicht bewußt gewesen ®,.
Das Verlangen nach Aussetzung der Verkündigung, wie der
Antrag auf Volksentscheid und damit die Referendumsabstimmung
selbst kann sich immer nur auf das ganze Gesetz, nieht auf
einzelne Abschnitte oder Artikel eines Gesetzes beziehen. Darüber
läßt der Wortlaut der Verfassung keinen Zweifel®. Anderseits
kann ein Referendumsantrag grundsätzlich gegen alle Gesetze
vorgehen, richtiger: gegen alles, was nach der Verfassung in der
Form des Gesetzes vorgenommen werden muß (s. oben S. 471).
Eine Ausnahme ist nur beim Hausbaltsplan, bei Abgabengesetzen
und bei Besoldungsordnungen gemacht; bei ihnen kann der „ Anlaß“
zu einem Volksentscheide nur vom Reichspräsidenten gegeben werden
(Art. 73, Abs. 4). Die Bestimmung ist sehr vernünftig. Das
Haushaltsgesetz kann man weder durch einen Referendumsantrag
verzögern lassen, noch den Zufälligkeiten einer demagogisch be-
*« S, darüber TRIEPEL, Völkerrecht und Landesrecht (1899), S. 389 fl.
und die dort angeführte Literatur.
® Die politischen Bedenken gegen das Referendum in bezug auf
Staatsverträge sind schwer. In dem Berichte des schweizerischen Bundes-
rats vom 29. Mai 1914 (Bundesblatt 1914, III S. 445 ff.) sind sie vortrefflich
dargelegt. (Entgegenkonimender ist ein Bericht vom 9. Mai 1919, BBl. 1919, II
Ss. 222 .) — Bei uns würde man wohl regelmäßig mit der Dringlich-
keitserklärung helfen können.
„‘‘ Der Antrag Keız u. Gen. (s. oben S. 495, Anm. 51) wollte auch Teile
von Gesetzen dem Referendum unterstellen. S. dazu die Bemerkungen des
Antragstellers in der 26. Sitzg. d@s“ Verfassungsausschusses vom 9. April
1919, S. 19. Der Antrag ist aber abgelehnt worden.