Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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einflußten Volksabstimmung aussetzen. Und Abgaben- wie Be- 
soldungsordnungen hängen so sehr mit dem ganzen System der 
Staatsfinanzen zusammen, daß man nicht eine einzelne von ihnen 
der Gefahr aussetzen kann, durch eine Volksabstimmung willkürlich 
aus diesem Zusammenhange gerissen zu werden. Aus der Klausel 
in Art. 73, Abs. 4 ergibt sich ohne weiteres, daß sich auch Art. 72 
auf jene drei Arten von Gesetzen nicht bezieht °°°; denn der Antrag 
auf Aussetzung der Verkündung hat keinen anderen Zweck als 
den, für einen Referendumsantrag Bahn zu schaffen. Im übrigen 
bedeutet der „Haushaltsplan* in Art. 73, Abs. 4 nicht nur das 
Hauptgesetz über den Etat, sondern auch Nachtragsetats. Dagegen 
ist eine analoge Ausdehnung auf andere Gesetze finanziellen In- 
halts ausgeschlossen. Anleihe- und Garantiegesetze (Art. 87) sind 
also dem Referendum unterworfen. 
So weittragend nach alledem die Bedeutung des Referendums 
erscheint, so hat doch die Verfassung dafür gesorgt, daß seine 
Bäume nicht in den Himmel wachsen. Das Referendum kann 
durch eine sog. Dringlichkeitserklärung umgangen wer- 
den. Nach Art. 72, Satz 2 kann der Reichspräsident ein Gesetz 
trotz des Verlangens einer Reichstagsminderheit nach Aussetzung 
der Verkündung publizieren, wenn der Reichstag und der Reichsrat 
das Gesetz für dringlich erklären. Er „kann“ es verkünden, er muß 
es nicht tun. Er kann also trotz der Dringlichkeitserklärung ent- 
weder selbst nach Art. 73, Abs. 1 den Volksentscheid anrufen. 
oder er kann es darauf ankommen lassen, ob innerhalb der ver- 
längerten Verkündungsfrist der Antrag auf Volksentscheid aus der 
Mitte des Volkes gestellt wird; wird er gestellt, so kann er den Volks- 
entscheid abwarten®”. Aber er kann sich auch dem Dringlichkeits- 
e6* ZÖPHEL, &. a. OÖ. S. 95. 
e Kommt es zum Antrage auf Volksentscheid nach Ablauf der im 
Art. 70 bestimmten Monatsfrist, so muß ihm der Reichspräsident nach 
Art. 73, Abs. 2 stattgeben, wenn er nicht schon zuvor das Gesetz ver- 
kündigt hat. Denn indem er zögerte, bis der Antrag einging, hat.er tat- 
sächlich trotz der Dringlichkeitserklärung die Verkündung „ausgesetzt“. Er
	        
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