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einflußten Volksabstimmung aussetzen. Und Abgaben- wie Be-
soldungsordnungen hängen so sehr mit dem ganzen System der
Staatsfinanzen zusammen, daß man nicht eine einzelne von ihnen
der Gefahr aussetzen kann, durch eine Volksabstimmung willkürlich
aus diesem Zusammenhange gerissen zu werden. Aus der Klausel
in Art. 73, Abs. 4 ergibt sich ohne weiteres, daß sich auch Art. 72
auf jene drei Arten von Gesetzen nicht bezieht °°°; denn der Antrag
auf Aussetzung der Verkündung hat keinen anderen Zweck als
den, für einen Referendumsantrag Bahn zu schaffen. Im übrigen
bedeutet der „Haushaltsplan* in Art. 73, Abs. 4 nicht nur das
Hauptgesetz über den Etat, sondern auch Nachtragsetats. Dagegen
ist eine analoge Ausdehnung auf andere Gesetze finanziellen In-
halts ausgeschlossen. Anleihe- und Garantiegesetze (Art. 87) sind
also dem Referendum unterworfen.
So weittragend nach alledem die Bedeutung des Referendums
erscheint, so hat doch die Verfassung dafür gesorgt, daß seine
Bäume nicht in den Himmel wachsen. Das Referendum kann
durch eine sog. Dringlichkeitserklärung umgangen wer-
den. Nach Art. 72, Satz 2 kann der Reichspräsident ein Gesetz
trotz des Verlangens einer Reichstagsminderheit nach Aussetzung
der Verkündung publizieren, wenn der Reichstag und der Reichsrat
das Gesetz für dringlich erklären. Er „kann“ es verkünden, er muß
es nicht tun. Er kann also trotz der Dringlichkeitserklärung ent-
weder selbst nach Art. 73, Abs. 1 den Volksentscheid anrufen.
oder er kann es darauf ankommen lassen, ob innerhalb der ver-
längerten Verkündungsfrist der Antrag auf Volksentscheid aus der
Mitte des Volkes gestellt wird; wird er gestellt, so kann er den Volks-
entscheid abwarten®”. Aber er kann sich auch dem Dringlichkeits-
e6* ZÖPHEL, &. a. OÖ. S. 95.
e Kommt es zum Antrage auf Volksentscheid nach Ablauf der im
Art. 70 bestimmten Monatsfrist, so muß ihm der Reichspräsident nach
Art. 73, Abs. 2 stattgeben, wenn er nicht schon zuvor das Gesetz ver-
kündigt hat. Denn indem er zögerte, bis der Antrag einging, hat.er tat-
sächlich trotz der Dringlichkeitserklärung die Verkündung „ausgesetzt“. Er