Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

— 508 — 
votum des Reichstags und des Reichsrats anschließen und damit das 
Referendum vereiteln ®°*; bei seiner Abhängigkeit vom Reichstage wird 
er das in aller Regel tun. Eine endgültige Rettung des Gesetzes be- 
deutet das freilich noch nicht. Denn es bleibt die Möglichkeit offen, 
daß nunmehr die Volksinitiative einsetzt, mit dem Begehren 
auf Erlaß eines Gesetzes, das das soeben verkündete Gesetz wieder 
beseitigt®. Zu einem Volksbegehren muß sich ja allerdings nicht 
nur ein Zwanzigstel derStimmberechtigten, wie für den Referendums- 
antrag, sondern ein Zehntel zusammenfinden; aber vielleicht lassen 
sich so viel Antragsteller auftreiben®. Damit ist dann auch ein 
Weg eröffnet, auf dem einzelne Abschnitte oder einzelne Bestim- 
mungen des Gesetzes, die für größere Volkskreise anstößig sind, 
der Volksabstimmung ausgesetzt werden können. Für das fakultative 
Referendum ist, wie wir sahen, nur das ganze Gesetz angreifbar. 
Aber das Volksbegehren kann die gesetzliche Beseitigung eines 
einzelnen Gesetzesartikels verlangen. Wenn nun der Reichstag das 
Begehren ablehnt, so muß ein Volksentscheid über den ablehnen- 
den Beschluß, also eben über jenen einzelnen Artikel herbeigeführt 
werden. 
— 
kann diese Aussetzung nicht widerrufen. Anders, wenn der Präsident 
nur die Monatsfrist des Art. 70 abwartet, was ihm auch nach Art. 72, Satz 2 
freisteht. Innerhalb dieser Frist kann er unter Berufung auf die Dring- 
lichkeitserklärung jederzeit verkünden, selbst wenn schon ein Antrag auf 
Volksentscheid eingelaufen sein 'sollte; denn dann ist die Bedingung des 
Art. 73, Abs. 2, die „Aussetzung“ der Verkündung, nicht erfüllt. 
67® Die Ansicht ZÖPHELSs, a. a. 0.S. 94, das Gesetz müsse nach Art. 73, 
Abs. 2 auch dann dem Volksentscheide unterbreitet werden, wenn es schon 
nach Art. 72 verkündet worden sei, ist völlig haltlos. 
ss Man hätte das verhindern oder doch erschweren können, wenn man 
vorgeschrieben hätte, daß ein Volksbegehren die Wiederabschaffung eines 
Gesetzes erst nach einer gewissen Reihe von Jahren verlangen könne. In der 
schweizerischen Gesetzgebung finden sich mehrfach solche Bestimmungen. 
Vgl. v. WALDKIRCH, a. a. O. 8. 57. 
® Vgl. die Bemerkungen der Abg. KATZENSTEIN und KocH in den 
Sitzungen der Nationalversammlung vom 5. und 7. Juli 1919; Sten. B. 
S. 1346, 1355.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.