Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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_4, Eine letzte Gefahr kann schließlich dem vom -Reichstage 
beschlossenen Gesetze aus der Gegnerschaft des Reichsrats 
erwachsen. 
In strengem Gegensatze zum ehemaligen Bundesrate hat der 
Reichsrat einen Anteil am Gesetzesbeschlusse nicht er- 
halten. Es ist ihm grundsätzlich auch nicht ein Recht der Zu- 
stimmung zum Erlasse von Reichsgesetzen gegeben worden ’®. Aber 
es steht ihm nach der Verfassung ein Recht des Einspruchs 
gegen die vom Reichstage beschlossenen Gesetze zu, eines Ein- 
spruchs im Sinne eines suspensiven Veto. Die Verkündungsformel 
der seitdem 11. August 1919 erlassenen Reichsgesetze ist geeignet, 
den wahren Sachverhalt zu verdecken. Sie lautet regelmäßig: 
„Die Nationalversammlung (der Reichstag) hat das folgende Gesetz 
beschlossen, das nach Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet 
wird.“ Das ist irreführend. Denn auch wenn, wie anzunehmen 
ist, der Reichsrat zu diesen Gesetzen seine Zustimmung förmlich 
erklärt hat, so hatte dies doch immer nur die Bedeutung eines 
Verzichts auf die Geltendmachung des Einspruchsrechts. Daß 
die „Zustimmung“ überhaupt in der Verkündungsformel erwähnt 
wird, hat einen Sinn nur dann, wenn die Verkündung vor Ablauf 
der Einspruchsfrist erfolgt. Der Reichspräsident muß sich in 
diesem Falle vergewissert haben, ob ein Einspruch zu erwarten 
ist; er teilt bei der Verkündung mit, daß er das getan, und 
daß der Reichsrat der Verkündung kein Hindernis in den Weg 
gelegt hat. 
Nur an einer Stelle hat die Verfassung dem Reichsrate ein 
Zustimmungsrecht in Bezug auf Gesetzesbeschlüsse des Reichstags 
gegeben. Nach Art. 85, Abs. 4 „kann“ der Reichstag im Ent- 
wurfe des Haushaltsplans keine Ausgabe erhöhen und keine Aus- 
Das der Abg. Koca (Sitzg. der Nationalvers. v. 5. Juli 1919, Sten. B. 
S. 1345) wiederholt von der „Zustimmung des Reichsrates“ spricht — der 
Bericht druckt den Ausdruck noch dazu in fetten Lettern — ist schwer 
begreiflich.
	        
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