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gabe neu einsetzen, es sei denn, daß der Reichsrat hierzu seine
Zustimmung gegeben hat”. Allerdings kann nach Abs. 5
die Zustimmung des Reichsrats‘ gemäß den im Art_.74_für das
Einspruchsverfahren geltenden Regeln „ersetzt“ werden, und so
bedeutet die Versagung der Zustimmung sachlich im letzten Grunde
nieht viel mehr als einen Einspruch. Aber formell ist doch der Unter-
schied der beiden Fälle nicht gering. Die Verfassung verlangt eine
ausdrückliche Zustimmung’”?; es genügt nicht, daß der Reichsrat die
vierzehntägige Einspruchsfrist schweigend verstreichen läßt. Auch
das Verfahren zur „Ersetzung“ der Zustimmung stimmt in Einzel-
heiten — trotz Art. 85, Abs. 5 — nicht völlig mit dem Verfahren
zur Beseitigung eines Einspruchs überein ”®.
Die praktische _ Bedeutung. des Einspruchsrechts wird
vermutlich weniger darin bestehen, daß der Reichsrat es geltend
macht, als darin, daß er schon auf den Inhalt eines Regierungs-
”* Der Reichstag kann ohne die Zustimmung nichts erhöhen und
nichts einsetzen. Der Beschluß des Reichstags über den eingesetzten Posten
oder .über die Erhöhung eines Postens gewinnt also obne die Zustimmung
des Reichsrats keine Kraft. Der übrige Etat wird aber dadurch nicht
berührt; er kann verkündigt werden. (A. M., wie es scheint, GIESE S. 248).
Es sei denn, daß der Reichsrat noch andere Bedenken hat, insbesondere
gegenüber Streichungen, die der Reichstag vorgenommen, und daß er solche
Bedenken durch Einspruch gegen das Etatsgesetz als solches geltend macht.
Dann kann es sich ereignen, daß das Verfahren über die Herbeiführung
oder Ersetzung der Zustimmung und das Einspruchsverfahren nebeneinander
herlaufen.
”5 Diese kann freilich auch in einer „Zustimmung“ zum ganzen Etats-
gesetze liegen. Eine solche Erklärung bedeutet dann echte Zustimmung
zu einer Ausgabenerhöhung usw. und Verzicht auf den Einspruch gegen
das Uebrige.
”* Ein wichtiger Unterschied besteht vor allem darin, daß der Reichs-
tag bei der „nochmaligen“ Behandlung eines Etatsgesetzes wegen mangeln-
der Zustimmung des Reichsrats zu einzelnen Posten nur über diese Be-
schluß zu fassen hat, nicht über das ganze Gesetz. Also ist auch die in
Art. 74, Abs. 3 vorgesehene Zweidrittelmehrheit nur für den fraglichen
Posten, nicht wie sonst (s. unten) für das ganze Gesetz erforderlich. —
Ueber diese und andere Fragen verbreitet sich eine vortreffliche Denk-
schrift der sächsischen Regierung; Drucks. des Reichsrats 1919, Nr. 229.