Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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aber andere, als der Reichsrat verlangt hat ?%°°? Die Verfassung 
überläßt hier zunächst dem Reichspräsidenten die Ent- 
scheidung, ob er sich auf die Seite des Reichsrats oder auf die 
des Reichstags stellen will. Freilich kann er für den Reichstag 
nicht dadurch Partei ergreifen, daß er das Gesetz jetzt ohne wei- 
teres verkündet; das ist ihm untersagt. Aber er hat das Recht, 
über den Gegenstand der Meinungsverschiedenheit, also je nach- 
dem über das ganze Gesetz oder über die strittigen Bestimmungen 
des Gesetzes, einen Volksentscheid herbeizuführen; binnen 
drei Monaten, die von der entscheidenden Abstimmung des Reichs- 
tags an gerechnet werden müssen, „kann“ er die Volksabstimmung 
anordnen. Er kann es, er muß es nicht. Er kann auch, den 
Wünschen des Reichsrats entsprechend, die Vorlage scheitern lassen. 
Wenn er nämlich die Dreimonatsfrist ohne Anordnung des Volks- 
entscheids verstreichen läßt, so gilt das Gesetz als nicht zustande 
gekommen; das ganze Gesetz — auch wenn sich die sachliche 
Differenz zwischen Reichsrat und Reichstag nur auf einen Teil 
des Gesetzes bezieht. Wahrscheinlich wird der Reichspräsident 
»@ Daß der Reichstag das letztere tun darf, scheint mir nicht zweifel- 
haft zu sein. Denn die Verfassung zieht der „nochmaligen Beschluß- 
fassung“ keine Grenzen. Es ist also auch denkbar, daß der Reichstag die 
vom Reichsrate verlangten Aenderungen vornimmt, dazu aber noch weitere 
anbringt. Handelt es sich dabei um solche, die bestimmt oder auch nur 
geeignet sind, die Absichten des Einspruchs zu durchkreuzen, so wäre die 
„Meinungsverschiedenheit* nicht ausgeglichen. Es können aber auch 
Zusätze oder Aenderungen sein, die mit dem Inhalte des Einspruchs nichts 
zu tun haben. Dann würde gegen diese ein neuer Einspruch 
zulässig sein. 
» Die Volksabstimmung findet also hier unter Umständen auch üder 
Teile eines Gesetzentwurfes statt. Ja, sie muß sich darauf beschränken, 
wenn nur ein Teil des Gesetzes den „Gegenstand der Meinungsverschieden- 
heit“ bildet. Der Volksentscheid kann daher auch nicht dazu benutzt 
werden, um noch weitere Abänderungen am Gesetze herbeizuführen. 
PoETzscH 8. 87. 
»2 Nach PorTzsoH S. 87 soll der Reichspräsident das Gesetz auch da- 
durch scheitern lassen können, daß er vor Ablauf der Dreimonatsfrist er- 
klärt, auf die Anordnung der Volksabstimmung zu verzichten. Ich
	        
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