— 12 —
hierzu wird sich der Reichspräsident nur ganz ausnahmsweise
entschließen. Allerdings kann er unter Umständen von der Mi-
norität des Reichstags zur Anordnung einer Volksabstimmung ge-
zwungen werden. Denn es ist nicht ausgeschlossen, daß sich ein
Drittel des Reichstags binnen zwei Monaten zusammenfindet, um
den Antrag auf Aussetzung der Verkündung zu stellen (Art. 72),
und es mag auch gelingen, ein Zwanzigstel der Stimmberechtigten zu
einem Antrage auf Volksentscheid (Art. 73, Abs. 2) zusammen-
zubringen .
Entscheidend ist also, ob der Reichstag bei der nochmaligen
Abstimmung mib einfacher oder mit Zweidrittelmehrheit beschließt.
Da sich der Einspruch sowohl wie die „nochmalige Beschlußfassung “
immer auf das ganze Gesetz beziehen, so ist auch die Zweidrittel-
mehrheit gemeint als die Mehrheit, die sich bei der SchluS-
abstimmung „entgegen dem Einspruche“ des Reichsrats für
das Gesetz ausspricht. Es kommt mithin nicht darauf an, welche
Mehrheit sich für die einzelnen Artikel des Gesetzes ergeben hat,
auch wenn sich die Gegnerschaft des Reichsrats nicht auf das
ganze Gesetz, sondern nur auf einige Artikel bezog. Indem der
Reichstag bei der erneuten Schlußabstimmung das ganze Gesetz
mit Zweidrittelmehrheit annimmt, spricht er sich mit der gleichen
Mehrheit schließlich auch für die Artikel aus, die er vorher nur
mit einfacher Mehrheit festgestellt hat. Befinden sich dabei Artikel,
die vom Reichsrate beanstandet worden sind, so hat der Reichstag
„entgegen dem Einspruch “ mit Zweidrittelmehrheit beschlossen. Des-
halb darf der Volksentscheid, wenn ihn der Reichspräsident in
diesem Falle anordnet, ebenso wie in dem ersten Falle des Abs. 3
%: Denn Art. 72 und Art. 73, Abs. 2 beziehen sich auf alle Gesetzes-
beschlüsse des Reichstags, auch auf die, die im Einspruchsverfahren ge-
faßt werden. — Das Drittel des Reichstags kann um so eher zusammen-
kommen, als die Zweidrittelmehrheit, die das Gesetz beschloß, nicht aus
zwei Dritteln des ganzen Reichstags zu bestehen brauchte, und als der An-
trag auf Aussetzung der Verkündung nicht in derselben Sitzung wie die
Abstimmung erfolgen muß.