Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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von Art. 74, nur über den „Gegenstand der Meinungsverschieden- 
heit“ zwischen Reichsrat und Reichstag stattfinden, also wenn der 
Reichsrat nicht das ganze Gesetz beseitigt sehen will, nur über 
die strittigen Bestimmungen. Die Verfassung sagt das nicht deutlich. 
Aber man wird den letzten Satz in Abs. 3 dem zweiten Satze 
entsprechend ergänzen müssen®. 
Bei Gesetzen, die eine Verfassungsänderung ent- 
"halten, versteht es sich von selbst, daß der im Einspruchsverfahren 
gefaßte Gesetzesbeschluß des Reichstags eine Zweidrittelmehrheit 
hinter sich haben muß, wenn er eine Wirkung zeitigen soll. Denn 
die Verfassung schreibt für jeden Beschluß des Reichstags ‘auf 
Abänderung der Reichsverfassung die qualifizierte Mehrheit vor 
(Art. 76, Abs. 1), mithin auch für die „nochmalige“ Beschluß- 
fassung nach ergangenem Einspruche. An sich gilt also für diesen 
Fall genau dasselbe wie bei andern Gesetzen: der Reichspräsident 
hat die erneut beschlossene Verfassungsänderung zu verkünden oder 
einen Volksentscheid herbeizuführen. Hier ist es nun aber auch 
der Reichsrat, der den Präsidenten an der Verkündung hindern 
und zur Anordnung des Volksentscheids zwingen kann. Es sagt 
nämlich Art. 76, Abs. 2 der Verfassung: „Hat der Reichstag ent- 
gegen dem Einspruch des Reichsrats eine Verfassungsänderung 
beschlossen, so darf der Reichspräsident ‚dieses Gesetz nicht 
verkünden, wenn der Reichsrat binnen zwei Wochen den Volks- 
entscheid verlangt.“ Die Volksabstimmung ist also hier not- 
wendig °*. Der Reichsrat kann sich hiernach gegen eine vom Reichs- 
tage zweimal mit Zweidrittelmehrheit beschlossene Verfassungs- 
änderung, wenn sieseiner Ansicht nach schädlich ist, namentlich wenn 
sie den Interessen der Einzelstaaten zuwiderläuft, noch im letzten 
95 Ebenso die oben 8.511, Anm. 76 angeführte Denkschrift der sächsischen 
Regierung 8. 7. Auch ZÖPHEL, a. a. O. 8. 97. 
ss Der Verfassungsausschuß hatte das noch klarer zum Ausdrucke 
gebracht: Der Präsident ist im fraglichen Falle „zur Anordnung des Volks- 
entscheids verpflichtet, wenn der Reichsrat es verlangt“. 
 
	        
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