Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

— 14 — 
ist ein Volksbegehren auf Verfassungsänderung statthaft; das hat 
die Verfassung sogar ausdrücklich anerkannt (Art. 76, Abs.1 a. E.). 
Auch die Beschränkungen des Initiativrechts, die wir kennen ge- 
lernt haben, greifen bei der Einbringung verfassungsändernder 
Gesetze Platz: die „Zustimmung“ des Reichsrats zu Vorlagen der 
Reichsregierung und die Begutachtung durch den Reichswirtschafts- 
rat. Der GesetzesbeschAluß ist je nachdem die Sache des 
Reichstags oder des Volkes; der Art. 75 über die Stimmbeteiligung 
bei Volksabstimmungen findet selbstverständlich auch auf einen 
Volksentscheid über eine Verfassungsänderung Anwendung. Und 
ebenso sind alle Vorschriften, die sich auf die Anfechtung von 
Gesetzesbeschlüssen des Reichstags beziehen — auf das Veto des 
Reichspräsidenten, den Einspruch des Reichsrats, das Referendum!!? 
— endlich die Vorschriften über Ausfertigung und Ver- 
kündigung auch auf Verfassungsänderungen anzuwenden. 
Allein die Verfassung hat das Zustandekommen einer Ver- 
fassungsänderung gegenüber dem Zustandekommen einfacher Ge- 
setze durch mehrere besondere Bestimmungen erschwert. Sehr 
viel mehr, als dies die bisherige Verfassung getan hatte. Ange- 
sichts der Tatsache, daß die Organisation der Reichsgewalt nach 
den Grundgedanken des parlamentarischen Systems erfolgte, war 
das notwendig. Es fragt sich freilich, ob man nicht stellenweise 
über das erforderliche Maß hinausgegangen ist. Die Erschwerung 
beruht durchweg darin, daß man für die Gültigkeit der für das 
Gesetzgebungsverfahren wesentlichen Beschlüsse größere Mehr- 
heiten als gewöhnlich verlangt (Art. 76, Abs. 1). 
1. Beschlüsse des Reichstags auf Abänderung der Ver- 
fassung gelten nur dann als zustandegekommen, wenn zwei Drittel 
der gesetzlichen Mitgliederzahl anwesend — d. h. bei der Be- 
schlußfassung anwesend — sind, und wenn wenigstens zwei Drittel 
der Anwesenden zustimmen. Es genügt also nicht eine Zweidrittel- 
— 
  
119 Ueber die praktische Möglichkeit eines Antrags auf Aussetzung 
der Verkündung bei einer Zweidrittelmehrheit s. oben S. 522, Anm. 9.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.