Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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mehrheit der Abstimmenden ; auch Mitglieder, die sich der Stimme 
enthalten, sind „anwesend“, gehören also zu der Zahl, nach der 
die zwei Drittel zu berechnen sind '*®, 
2. Auch Beschlüsse des Reichsrats „auf Abänderung der 
Verfassung“ bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln der abge- 
gebenen Stimmen. Der Wortlaut dieses Satzes ist nicht eben klar. 
Ein Reichsratsbeschluß lautet „auf Abänderung der Verfassung“ 
entweder, wenn der Reichsrat eine Gesetzesvorlage beschließt, die 
eine Verfassungsänderung enthält, oder wenn er einer Gesetzes- 
vorlage solchen Inhalts, die anderer Initiative eutstammt, seine 
Zustimmung gibt. In diesen beiden Fällen bedarf der Annahme- 
beschluß einer Zweidrittelmajorität. Ein Beschluß des Reichsrats 
„auf Abänderung der Verfassung“ liegt aber auch dann vor, wenn 
der Reichsrat beschließt, gegen einen entsprechenden Reichstags- 
beschluß keinen Einspruch zu arheben. Wenn nun dieser Beschluß 
einer Zweidrittelmehrheit „bedarf“, so ist es folgerichtig, anzu- 
nehmen, daß der Beschluß, Einspruch gegen eine Verfassungs- 
änderung zu erheben, schon dann als gefaßt zu gelten habe, wenn 
sich mehr als ein Drittel für die Erhebung des Einspruchs er- 
klärt hat!?. 
3. Eine außergewöhnliche Erschwerung der Verfassungsände- 
  
120 GIESE S. 225. 
121 Anders GIESE S. 225 f. (bei Anm. 10). Zweifelnd PortzschH 8. 92. 
Klarer wäre die Fassung geworden, wenn man die Formulierung ange- 
nommen hätte, die die Reichsregierung dem Verfassungsausschusse in der 
Drucks. Nr. 37 vorschlug: „Zum Einspruch gegen ein vom Reichstag 'be- 
schlossenes verfassungsänderndes Gesetz genügt die ?/s übersteigende Zahl 
der abgegebenen Stimmen.“ Aber obwohl man eine andere Fassung wählte, 
war man sich doch einig, daß die Sache so aufzufassen sei wie nach dem 
Vorschlage der Regierung. In der Redaktion des Verfassungsausschusses 
lautete der fragliche Satz so: „Auch im Reichsrat sind zur Abänderung 
‘der Verfassung zwei Drittel der abgegebenen Stimmen erforderlich.“ 
Ich glaube, daß man diesen Satz ohne weiteres, wie im Text geschehen, 
hätte auslegen können. Da die endgültige Fassung, die diewägfüsel im 
Plenum erhielt, keine sachliche Aenderung herbeiführen sollte (Sten. B. S. 
1361 f.), so wird das Ergebnis das gleiche sein. 
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIX. 4. 36
	        
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