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er erklärt, er wolle Frieden mit seinem Volke haben, hat als Herrscher
gesprochen, und zwar selbst dann, wenn in jenem Worte ein Opfer an
persönlichen Meinungen und Wünschen zum Ausdrucke kommt.
Der König dagegen, welcher Minister und Regierungsgrundsätze wech-
selt, weil er sie wechseln muß, der hundert und hundert Mal seine Unter-
schrift herzuleihen hat, um das wieder zu zerstören, was er vielleicht
wenige Jahre zuvor mit ebenso vielen Unterschriften geschaffen hat —
dieser Mann ist kein Herrscher. In solcher Lage ist der König eines
parlamentarisch regierten Staates. Die parlamentarische Staatsform bringt
es mit sich, daß der Wille der Parlamentsmehrheit nicht bloß bei Gesetz-
gebung und Staatshaushalt eintritt, sondern daß er über alles entscheidet,
daß er insbesondere den Gang der Regierung, der laufenden Staatsver-
waltung maßgebend bestimmt”?. So versieht denn der Träger der Kröne
im parlamentarisch regierten Staate das entsagungsvollste Amt, das sich
denken läßt. Unter den Teilnehmern an der Ausübung der Öffentlichen
Gewalt ist er der einzige, der in seiner Stellung nicht das Recht der
eigenen Ueberzeugunz hat.“
$ 2. Es läßt sich denken, daß eine solche Regierungsform
von Anfang ‘an viele und mächtige Gegner finden mußte, nicht
nur in den alteingesessenen Dynastien und ihren Stützen, der
Aristokratie und der Staatsbeamtenschaft, sondern auch ın dem
überwiegend gut monarchisch gesinnten Bürgertum; deswegen hat
sieh auch die rein konstitutionelle Regierung so lange in Deutsch-
land erhalten. Um so schneller aber hat sich das parlamentarische
System unter dem Einflusse der immer weiter um sich greifenden
demokratischen Tendenzen in den meisten anderen Staaten des
europäischen Festlandes durchgesetzt, nicht sowohl durch Auf-
nahme in die geschriebenen Verfassungen, als vielmehr durch
tatsächliche Zugeständnisse der Regierungen an die Parlamente
und gewohnheitsrechtliche Entwickelung®. Erst unter dem Drucke
-
° 8. auch BATBIE a.a.O. III S. 127: „La plenitude du pouvoir reside
dans les chambres“, im direkten Gegensatze zur Charte constitutionelle
Ludwigs XVII. v. 1814 (Einleitung): „L’autorite tout entiere reside dans la
personne du roi*.
°s8. G. JELLINER a. a. O. S. 686: „Die in England ausgebildete
Monarchie mit parlamentarischer Regierung ist auch in eine Zahl kontinen-
taler Staaten eingedrungen, jedoch nirgends für eine verfassungsmäßige
Institution erklärt worden... Nicht einmal in der heutigen französischen