Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 41 (41)

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der Verhältnisse angesichts der drohenden Niederlage Deutschlands 
im Weltkriege wurden im Oktober 1918 auch im Deutschen 
Reiche®?, wie im Königreiche Sachsen 1° Anordnungen getroffen, 
die einen vollständigen Uebergang zum parlamentarischen Regie- 
rungssystem anbahnten und zum Teil schon in sich schlossen. 
Doch war damit der unterdessen von der radikalen Sozialdemo- 
kratie vorbereitete gänzliche Umsturz der Verfassungen des Reiches 
und seiner Einzelstaaten und deren Umgestaltung zu Republiken 
nicht mehr aufzuhalten. In dem neuen Deutschen Reiche und 
allen seinen Ländern ist aber nunmehr das parlamentarische 
Regierungssystem in scharfer Ausprägung verfassungsmäßig 
eingeführt worden. Es kommt zunächst in der neuen deutschen 
Reichsverfassung vom 11. August 1919 zum Ausdruck, für das 
Reich in Art. 54: 
Republik hat man, trotz der Absicht, die parlamentarische Regierungsform 
zur dauernden Institution zu erheben, ihr verfassungsgesetzlichen Ausdruck 
zu geben unternommen, indem man einsah, daß damit die äußerste Schwäch- 
ung, ja Lähmung der Regierung verbunden sein könnte. Sogar in Belgien 
hat der König verfassungsmäßig die freie Wahl der Minister außerhalb der 
Kammern (S. 686 Anm. 2).“ Tatsächlich herrscht aber das parlamentarische 
System auch in der französischen Republik ebenso wie iu Belgien. Ver- 
fassungsmäßig festgelegt wurde die parlamentarische Regierung nur in eini- 
gen englischen Kolonien“ (S. 687 Anm. 2). 
® Das Gesetz zur Abänderung der Reichsverfassung vom 28. Oktober 
1918 sprach aus, daß „der Reichskanzler zu seiner Amtsführung des Ver- 
trauens des Reichstags bedarf“ und machte ihn und seine Stellvertreter dem 
Bundesrateund dem Reichstaggegenüber verantwortlich für ihre Amtsführung 
und alle Handlungen von politischer Bedeutung, die der Kaiser in Aus- 
übung der ihm nach der Reichsverfassung zustehenden Befugnisse vor- 
nimmt. 
1° Die Verordnung über den Staatsrat vom 29. Oktober 1918 stellte 
dem König im Staatsrate eine beratende Instanz, gebildet aus den Ministern, 
Parlamentariern und anderen geeigneten Persönlichkeiten, zur Seite, das 
Gesetz über eine veränderte Zusammensetzung des Gesamtministeriums vom 
1. November 1918 bewirkte die Schaffung von Staatsministern „ohne De- 
partement* d. h. ohne Portefeuille und dadurch die Ernennung von Land- 
tagsmitgliedern zu diensttuenden Staatsministern.
	        
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