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eine gewisse Gefahr einseitiger Herrschaft eines herausgehobenen
Teiles des Volkes, nämlich des Parlamentes, also die Gefahr der
Aristokratie. Diese Gefahr wird aber aufs höchste gesteigert in
der parlamentarischen Republik, welche entsprechend ihrem Wesen
und ihren Wirkungen zur vollständigen Diktatur nicht sowohl
des Parlamentes als solchen, als vielmehr der dieses beherrschenden
Parteien und ikrer Häupter d. h. zur Oligarchie?” führen muß.
Denn auf dem Mehrheitsprinzip ist der ganze Parlamentarismus
aufgebaut. So sagt auch HELLMUT V. GERLACH (Das Parlament,
Frankfurt a. M. 1908 S. 54):
„Das Parlament ist der fleischgewordene Ausdruck des Grundsatzes,
daß die Mehrheit herrschen soll. Das Parlament soll den Willen der
Mehrheit des Volkes repräsentieren, und im Parlamente selbst soll natür-
lich die Mehrheit entscheiden. Nur so ist zu erreichen, daß die Gesetze
der Ausdruck des Mehrheitswillens der Bevölkerung sind, für die sie gelten.
#7 S, auch RIEKER a. a. O.S. 48; HaspgacH a.a. O.S. 134: „Die par-
lamentarische Kabinettsregierung ist die aristokratische Form der
Parteiregierung; Repräsentanten der Wähler schaffen Verfassungen
und Gesetze nach dem Willen der Mehrheitspartei. In der Demokratie
wird der Wille der Mehrheitspartei durch das Volk selbst verwirklicht,
unmittelbar wie in den Länderkantonen der Schweiz, mittelbar durch eine
Ergänzung (Volksinitiative) oder Nachprüfung (Referendum) der Tätigkeit
der Delegierten. Damit ist klar, daß die sog. repräsentative und parlamen-
tarische Demokratie Mischformen darstellen, die auf den Namen Demokratie
keinen Anspruch haben. Sie entfalten nur demokratische Elemente, inso-
fern die Repräsentanten von der großen Zahl der Wähler abhängig und
damit delegiert werden.“ Ferner derselbe a. a. O.S. 264: „Die aristo-
telische Dreiteilung ist auch jetzt noch berechtigt. Es gibt auch jetzt noch
aristokratische bzw. oligarchische Staatsformen: 1. die repräsentative Re-
publik, 2, die parlamentarische Republik und Monarchie; in ihnen herrscheu
Parteioligarchie und Parteigruppen.* — NAWwIASKY a. a. O. S. 67, sagt:
„Das Volk ist politisch betrachtet, eine gestaltlose Masse, hat keinen poli-
tischen Willen, keine Handlungsfähigkeit. Zu einem politischen Faktor
wird es erst durch Organisation. Diese kann nur erfolgen durch die ein-
zelnen Führer, welche sich hierzu des Instrumentes der Parteien bedienen.
Hieraus ergibt sich, daß der Schwerpunkt der politischen Entscheidungen
nicht beim Volke, sondern bei seinen Führern, nicht bei der Abstimmung
der Masse, sondern beiden Beratungen ihrer Vertreter, m. a. W. beim Parla-
ment gelegen ist.“
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