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Menschen, die an diesem Staatsorgan Anteil haben, ohne daß ein Gegen-
gewicht gegen diese Herrschaft in der Verfassung angebracht wäre.
Da das Parlament die Regierung beherrscht, herrscht es durch die Regie-
rung,oder richtiger: es herrscht diejenige Partei, die im Parlamente die
Mehrheit hat, und in seinem Namen herrschen die Parteiführer, die das
Ministerium bilden. Da aber in solcher Weise das Parlament mit der
Regierung verwächst,hörtes auf, ein Kontrollorgan zu
sein; die Gefahren des Dualismus sind beseitigt; die Gefahr des Mißbrauchs
der einheitlichen Staatsgewalt ist an ihre Stelle getreten.“
Und auch ein Parlamentarier, wie V. ZENKER im „Parlamen-
tarısmus“ S. 71, scheut sich nicht, offen auszusprechen, daß die
Parlamente fast aller Staaten trotz ihrer Demokratisierung eigent-
lich gefährlichere und mächtigere Organe der Herrschaft geworden
seien, als es der absolute parlemenidräfhe Staat nur je zu sein
gewagt habe.
„Es sind heute allerdings nicht mehr die Dynastien, die Adelsfamilien,
die Bureaukratie und die Kirche allein, die über das Volk herrschen, es
sind zu den alten Herren neue getreten, die politischen Parteien, die sich
als letzter Selbstzweck setzen und trotz ihres oft sehr demokratischen
Getues doch nur die Diktatur einiger Weniger über die Vielen, im besten
Falle die Herrschaft eines Klasseninteresses über alle übrigen Interessen
mit Hilfe der parlamentarischen Fiktion errichten wollen. So lange die
Parteien statt des allgemeinen Volkswohles auch nur das Wohl jenes
Bruchteils der Bevölkerung besorgen, den sie repräsentieren, wäre noch
immer kein Grund zu ernster Klage, weil ja durch die unvermeidlichen
parlamentarischen Kompromisse ein Ausgleich unter den Interessen statt-
findet. Die Partei ist aber nicht, was sie sein sollte — die Gesamtheit
der Wähler und ihrer Mandatsträger, sondern eine kleine Gruppe von
Führern, Abgeordneten und Vertrauenspersonen, welche an ihren Mandaten
hängen, an der damit verbundenen Macht und nicht zuletzt an dem mit
dieser Macht verbundenen Geschäfte. Das Interesse dieser Gruppen ist
es zumeist, was man Parteiinteresse nennt, und diesem Interesse wird
rücksichtglos das Interesse des Volkes geopfert. Hinter der parlamen-
tarischen Technik steht das Verlangen, eine Oligarchie im Besitze der
sehr realen Genüsse einer demokratischen Fiktion zu erhalten.*
Das alles ist nach REDSLOB zwar unechter Parlamentaris-
müs, nicht der wahre Parlamentarismus, wie er sein sollte; es
ist aber wirklicher Parlamentarismus, wie er tatsächlich besteht
und seine Wirkungen äußert.