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terielle, nicht formelle Prüfung fürgegeben. Die historischen Darlegungen
zeugen von einer außerordentlichen Belesenheit und Gewissenhaftigkeit des
Verf., bringen zur Lehre von der Gewaltenteilung wertvolle Untersuchungen.
Ueberzeugend wirkt es aber nicht, wenn der grundlegende Satz für das
Prüfungsrecht des Richters, er stehe unter dem Gesetze und müsse vor
dessen Anwendung sich vergewissern, ob es Rechtsverbintllichkeit besitzt.
hinter allerhand interessanten Theorien zurücktritt.
Die zweite Abteilung bringt dogmatische Erörterungen, die schon sehr
bald zu dem recht anfechtbaren Satze führen, daß die Prüfung des Rich-
ters in den Fällen, in denen über Rechte und Pflichten der Untertanen
entschieden werden soll, sich nach der rechtlichen Stellung dieser Unter-
tanen. nicht nach der des Richters selbst richtet! Dadurch wird vieles
schief gesehen. Der Richter wird doch fast nur in jenen Fällen entscheiden,
in denen Untertanenrecht und -pflicht in Frage steht. Hier seine Stellung
als nur dem verbindlichen Gesetz gegenüber gebundenes Staatsorgan
außer acht lassen zu wollen, ist ein Grundfehler, der auf die „allgemeinen
Grundzüge der richterlichen Prüfung“ abfärben muß. Die kritischen Be-
trachtungen der verschiedenen Ansichten nehmen einen außerordentlichen
Raum ein und .bieten die bisher beste Dogmengeschichte dieses Problems.
Allgemeine Richtlinien für die Gestaltung der Prüfung gegenüber Gesetz
und Verordnung im einzelnen schließen sich an, nicht ohne auf die „Mil-
derung des doktrinären Standpunkts in der Praxis“ sorgsam einzugehen.
Die Ergebnisse des Verfassers lassen sich dahin zusammenfassen : Der
Richter-hat zu prüfen, ob gewisse äußere Formalien (Publikation) erfüllt
sind. Mit dieser subjektiven Prüfung decke sich durchaus nicht immer die
objektive Feststellung, ob Gesetz oder Verordnung verfassungs- oder ge-
setzmäßig ist. Denn der Richter müsse sie dann als rechtmäßig ansehen,
wenn sie „nach allgemeinen Grundsätzen von vornherein als rechtmäßig
hinzunehmen‘ (!) sei oder formelle Kriterien vorhanden sind, durch die für sie
die Rechtmäßigkeit bindend festgestellt wird. Im übrigen bestreitet, weil
die Gesetzgebung die höchste Macht im Staate ist, Verf. auch dem Richter
das Recht, das Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Bet
der Verordnung dagegen bestehe ein grundsätzliches richterliches Prü-
fungsrecht der objektiven Gültigkeit, weil Justiz und Verwaltung gleich-
gestellt seien und weil die Gesetzgebung der Verwaltung übergeordnet sei,
so daß die Anordnungen der ersteren vorgehen und nur gesetzmäßige Ver-
ordnungen befolgt zu werden brauchen. Eine Ausschließung der Prüfung
bestehe bei der Verordnung erst durch allgemeine oder besondere formelle
Kriterien.
Es ist an dieser Stelle, wo ohnedies der reiche Inhalt des Buchs auf
die denkbar knappste Formel gebracht werden mußte, nicht möglich, dar-
zulegen, weshalb das Ergebnis des Verfassers (abgesehen von seiner ver-
fassungspolitisch unbefriedigenden Wirkung) auch vom Boden des Verfas-