Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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dieses so überaus bedeutungsvolle Fach dem Vertreter einer anderen 
Disziplin nebenamtlich zu übertragen: Auch heute hat sich in dieser Rich- 
tung trotz aller Erfahrungen nichts geändert. Was er hier auf einer gan- 
zen Reihe von Seiten an gravamina vorbringt, muß leider unbedingt unter- 
schrieben werden. Und das gleiche gilt, wenn er feststellt, daß das deutsche 
Volk auf die Jlaager Fortschritte weder vorbereitet war, noch sie jemals 
richtig in ihrer ganzen Bedeutung erfaßt hat. Das und die unmögliche 
Haltung unserer Delegierten im Haag (Zorn bildete die rühmliche Ausnahme!) 
hat uns in der Tat in der Welt in einer Weise geschadet, von der man 
weder in der Wilhelmstraße der Vorkriegszeit noch im Volke eine Ahnung 
gehabt hat. Und man war auch viel zu wenig auf das eingestellt, wofür 
NIıprpoLD vor dem Kriege, leider erst zu spät in die Lage versetzt, dafür 
wirken zu dürfen, vorbildlich gekämpft hat: auf internationale Verständigung. 
Andererseits ist es nicht zutreffend, wenn der Verfasser Deutschland vor 
1914 als militärisch verseucht bezeichnet: Sehen wir näher zu, so war — 
von dünnen Schichten pazifistischer wie militaristischer Richtung abgesehen 
— die große Menge des Volkes doch viel eher politisch indifferent. 
Diese politische Unreife aber war es, die schließlich alleın dahin führen 
konnte, daß der die große Menge für sich hatte, der im gegebenen Augen- 
blicke auf sie einwirkte (woran sich leider auch heute nicht das Geringste 
geändert hat!). Wenn also NıppoLv, der lange genug unter uns gelebt hat, 
den Satz: „Macht geht vor Recht“ als das praktisch geübte Leitmotiv des 
deutschen Volkes vor 1914 bezeichnet, so ist dies eine Behauptung, die von ihm, 
dem vieljährigen Kenner Deutschlands und angeblich auch seiner Mentalität, 
nicht aufgestellt werden durfte. Sie gehört ins Brevier der Entente und ihrer 
Freunde vom Schlage eines GRELLING und ähnlicher antideutscher Deutscher, 
darf aber nicht aus dem Munde eines neutralen Gelehrten von Weltruf 
ertönen! Und nun zu den „Grundsätzen der deutschen Kriegführung*! 
Als deren Niederschlag, so wie er in der Praxis von deutscher Seite 
geübt worden sei, erscheint NıproLp eine 1902 vom Großen Generalstab 
herausgegebene Schrift: „Kriegsgebrauch im Landkrieg.“ Ihrer Wiedergabe 
und Bekämpfung ist der größte Teil seiner Ausführungen gewidmet. Ich 
habe jene Publikation allzeit für etwas höchst Bedauerliches gehalten und 
ich habe (NıproLD weiß das und zitiert mich in diesem Sinne wiederholt) 
in meinem, zwei Monate nach Kriegsbeginn erschienenen „Internationalen 
Landkriegsrecht“ scharfe Worte gegen jenes Buch gefunden, das drei Jahre 
nach der ersten Haager Konferenz, auf der doch wesentliche Teile des 
Landkriegsrechts kodifiziert wurden, die Haager Akte als nur moralisch 
bindend bezeichnet und auch sonst manch Unrichtiges enthalten hat. Aber: 
Das Buch konnte gar nicht schaden, weil es dazu in der Tat viel zu 
wenig bekannt war: Es ist, wie ich positiv erklären kann, bereits wenige 
Jahre nach Erscheinen überhaupt nicht mehr erhältlich gewesen; ich selbst 
habe zu meinen Arbeiten kein eigenes, sondern ein entlehntes Exemplar
	        
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