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wirkung bei der Gesetzgebung und Verwaltung zugewiesen. Er
ist ferner in der Verfassungsurkunde selbst geregelt worden,
leitet seine Rechte lediglich von ihr ab und stellt sich als ein
mittelbares oberstes Staatsorgan dar. Seine Tätigkeit ist von
bestimmten noch darzulegenden Zweckmomenten heraus veranlaßt
und mit Rechtswirkungen ausgestattet. Die tatsächliche und
politische Bedeutung des Staatsrats wird, neben dem Einfluß der
tatsächlichen und politischen Entwicklung, von der schöpferischen
Befähigung, der staatsmännischen Einsicht wie Tatkraft seiner
im Wandel der Zeiten als einheitlich gedachten Körperschaft und
von der unbehinderten verfassungsmäßigen Auswirkung seiner
Befugnisse, also auch davon abhängen, wieweit ihm Staatsregie-
rung und Landtag in der Ausübung seiner Rechte freie Bahn
lassen.
IM.
Ist somit der neue Staatsrat zu einer erheblich bedeutenderen
Staatsfunktion berufen, als es der alte Staatsrat war, so fragt es
sich, ob er die rechtliche Natureiner Volksvertretung
besitzt. Die Antwort kann nur aus den positiven Tatsachen
des politischen Geschehens, wie es sich uns seit dem November
1918 darstellt, aus den zur Regelung der Einrichtung in der
geltenden preußischen Verfassung führenden gesetzgeberischen
Vorgängen und den damit eng zusammenhängenden Strömungen
und Grundauffassungen entnommen werden.
Vorweg muß hier festgestellt werden, daß auch der Begriff
der Volksvertretung heute keineswegs in unbestrittener Weise zu
bestimmen ist. W. v. BLUME hat (Handbuch der Politik 3. Auf-
lage, 1. Bd. 1920 S. 336) zunächst hervorgehoben, daß das Wort
„Parlament“ in England eigentlich die Staatsorganisation: König,
Oberhaus und Unterhaus bedeutet; daß im landläufigen Sinne
aber darunter die beiden „Häuser“, will sagen, Ratsversammlungen
verstanden werden, die im Laufe der Jahrhunderte die königliche
Macht beschränkt, die Untertanen des Königs zu Bürgern gemacht