Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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Alle jene während der Verfassungsberatung getanen Aeuße- 
rungen und stattgehabten Vorgänge beweisen: Der Staatsrat ist 
vom Verfassungsgesetzgeber nicht gedacht als eine Erste Kammer 
im Sinne eines Herrenhauses. Der Landtag in Preußen soll nur 
aus einer Kammer bestehen. Die Volksvertretune im 
hergebrachten Sinne kommt ausschließlich im Landtag zur Er- 
scheinung °. Ebenso unzweideutig aber tritt hervor, daß der 
Staatsrat als diejenige Einrichtung in die Verfassung aufgenommen 
wurde, die bestimmt ist, dem Parlamentsabsolutismus entgegen- 
zuwirken, daß in ihm ein Staatsorgan geschaffen wurde, dem ge- 
nau bestimmte Rechte zu dem Hauptzwecke erteilt worden sind, 
einer einseitigen Landtagspolitik hemmend ent- 
gegenzuwirken. Der Staatsrat wird beteiligt an der Ge- 
setzgebung, indem ihm ein aufschiebendes Veto in Gestalt 
des Einspruchs gegen die vom Landtag beschlossenen Gesetze ein- 
1921 (GS. S. 317); Gesetz, betr. vorläufige Wahlen zum Staatsrat in der 
Provinz Oberschlesien und Abänderung des Art. 88 der Verfassung des 
Freistaates Preußen vom 30. November 1920 vom 7. April 1921 (GS. S. 353). 
Vgl. auch unten die Bemerkung zu RVerf. Art. 63. 
10 Weitgehende Aehnlichkeiten mit einem Parlament sind aber nicht 
zu verkennen. Sie ergeben sich aus folgenden Bestimmungen der Ver- 
fassung: Die Mitglieder des Staatsrats stimmen nach ihrer freien, nur 
durch die Rücksicht auf das Volkswohl bestimmten Ueberzeugung; an 
Aufträge und Weisungen sind sie nicht gebunden (Art. 34). Ebenso wie 
für Landtagsmitglieder (Art. 31) gilt, daß kein Mitglied des Staaterats zu 
irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung 
seines Amtes getanen Aeußerungen gerichtlich oder dienstlich verfolgt 
oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden 
darf (Art. 35), daß Beamte, Angestellte und Arbeiter des Staates und der 
Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Ausübung des Amts als Mit- 
glieder des Staatsrats keines Urlaubs bedürfen, ihnen Gehalt oder Lohn 
weiter zu zahlen ist (Art. 36). Die Vorschriften über Wahl des Vorsitzen- 
den und der Schriftführer, Geschäftsordnung, Beschlußfähigkeit, Ab- 
stimmung, Oeffentlichkeit und deren Ausschluß bei Sitzungen, Verlangen 
der Anwesenheit der Minister folgen dem für den Landtag geltenden Vor- 
bilde (Art. 37”—89). Die Parlamentsähnlichkeit des Staaterats kommt auch 
in dem Verbot der gleichzeitigen Mitgliedschaft beim Landtag und Staats- 
rat deutlich zum Ausdruck (Art. 38 Abs. 2).
	        
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