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nicht hat, ergibt sich sogar aus den Verhandlungen der ver-
fassunggebenden Landesversammlung, in denen dem Richter eine,
wenn auch beschränkte Zuständigkeit zuerkannt wurde.
So bleibt die Frage zu beantworten, ob die Nichteinholung des
in Art. 40 Abs. 2 vorgeschriebenen Gutachtens des Staatsrates
verfassungswidrig ist oder nicht. Nach allem Vorhergegangenen
kann die Verfassungswidrigkeit nicht bestritten werden. Nach
einem der oben gefundenen Interpretationsgrundsätze müssen die
Rechte des Staatsrats in dem Sinne ausgelegt werden, daß sie
dem schrankenlosen Parteiabsolutismus entgegenzuwirken haben.
Wie stark oder schwach auch diese Gegenwirkung praktisch sein
oder bewertet werden mag, so ist sie doch politisch möglich und
rechtlich vorgeschrieben. Die Nichtbeachtung des Art. 40 Abs. 2
ist daher eine Verletzung der Verfassung. Das betreffende Gesetz
ist nicht verbindlich, weil es nicht verfassungsmäßig zustande-
gekommen ist. Ob es verkündet worden ist oder nicht, ist nicht
entscheidend. Ein materiell verbindliches Gesetz liegt nicht vor.
Eine vom Staatsministerium unabhängige amtliche Stelle, in der
Regel, wie noch zu zeigen sein wird, der Richter, ist befugt, die
Folgerungen zu ziehen.
Verkannt wird die Bedeutung des Art. 40 Abs. 2 in dem
Schreiben des Ministerpräsidenten vom 7. November 1921, wenn
es heißt: „Der Staatsrat, der durch die öffentlichen Verhandlungen
des Landtages davon unterrichtet sein wird, wenn eine Vorlage
zur Beratung steht, zu der er noeh nicht gutachtlich Stellung
genommen hat, kann, wenn er eine Verletzung des Art. 40 Abs. 2
für vorliegend hält, seine abweichende Stellungnahme schriftlich
dem Landtag mitteilen. Er kann aber auch demnächst gegen den
Beschluß des Landtages Einspruch ‘einlegen und wird das stets
dann tun, wenn er der Auffassung ist, dieser Beschluß wäre
anders ausgefallen, falls vorher der Staatsrat gutachtlich gehört
worden wäre.“ Hierauf ist zu entgegnen: Die abweichende An-
sicht, die der Staatsrat dem Landtag darlegen kann, ist (Art. 40