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wiederum auf die Einschätzung der postrechtlichen Sukzessiv-
legislatur von 1867 (Postgesetz vom 2. Nov. 1867) und 1871
(Postgesetz vom 28. Okt. 1871, jetzt geltend) von beachtlicher
hückwirkung ist. Und es zeigt sich abermals: wenn Polizei
das Kriterium öffentlichen Rechtscharakters
sein soll, so besteht de lege lata kein Grund,
der Postverwaltung von heute diesen Charakter
abzusprechen.
Eine ganz andere Richtung mußte es also sein, aus welcher
der entscheidende Angriff auf die öffentliche Rechtsstellung der
Postverwaltung kam. Wohl war es eine polizeiliche, genauer
gesagt: gewerbepolizeiliche Funktion, in der das Postregal
— in Brandenburg-Preußen konstituiert im 17. Jahrhundert °® und
1852 erstmals verfassungsmäßig deklariert (s. oben) — sich ad-
ministrativ auswirkte. Aber dem haftete eine Besonderheit an:
durch die Postverwaltung koerzierte der Staat ein einzelnes, fest-
bestimmtes Gewerbe, das Fuhrunternehmen, nur mit dem Ziele,
um dies Gewerbe selber auszuüben. Das ist sonst
nicht das Verhalten der Gewerbepolizei, war dies auch nicht im
alten oder ältesten Staat. Immerhin hätte dieser Zustand der
öffentlich-rechtlichen Eigenschaft des Postwesens in den Vor-
stadien seiner Rechtsgeschichte nicht zu schaden brauchen; denn
das Gewerberecht enthielt bis 1810 selbst der publizistischen Be-
auf, Hoheit zu sein, weil sie sich nicht mehr der Form des Polizeiangriffs
zu bedienen braucht? Die ganze Lehre von der öÖffentlich-rechtlichen
Obrigkeits,gewalt“ fußt auf der englisch-französischen Drei,gewalten“ -
theorie des 17. und 18. Jahrhunderts. Aber jene Theorie bezweckte nicht,
die dreieinige „Gewalt“ des absoluten Staates wie das Besengespenst des
Zauberlehrlings in drei, zusammen dreifach wirksame Gewalten zu zer-
legen, sondern durch Auflösung der Dreieinigkeit — Gesetzgebung, Ver-
waltung, Rechtsprechung — die unter deren Form erblickte Staatsgewalt
zu beseitigen und sie in die Sphäre der Staatsrechts- und -ver-
fassungsfunktionen hinüberzuleiten.
®° Noch früher im alten Reich: s. Reichsgutachten vom Jahre 1570
bei Moser, Staatsrecht, Frankfurt a. M. und Leipzig 1752, Bd. 65, S. 14 8 12.