Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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Zivilgerichte noch in Ööffentlich-rechtlichen Streitfällen, dabei be- 
sonders in Post- und Telegraphenangelegenheiten leider vielfach 
ohne das Bewußtsein ihres innen-rechtsgeschichtlich begründeten 
Vikariats für nicht vorhandene Reichsverwaltungsgerichte. Die 
praktische Judikatur sieht nun einmal, schon aus Zeitmangel, nur 
mit dem gegenwartsdogmatischen Auge und steht zudem auf der 
überlieferten Grundlage der Anschauung vom Unterschied zwischen 
„herrschender“ und „dienender“ Verwaltung ®. Es unterstützt sie 
der unüberwindliche Fiskusbegriff, selber doppelt belastet mit 
seiner inneren Üeberspannung — „semel ceivis semper civis® — 
und außerdem mit der Verkehrung einer ursprünglich rein 
prozessualen Fiktion (um überhaupt den Staat vor die 
s. Zt. allein vorhandenen und denkbaren Zivilgerichte bringen zu 
können) in ein materielles Reehtsverhältnis: als ob 
der Staat in einzelnen seiner Verwaltungen den character indele- 
bilis der öffentlich-rechtlichen Hoheit einbüßen könnte oder müßte, 
nur weil er in seiner Verwaltungsfunktion häufiger oder seltener 
das Bürgerkleid des Agerius oder des Negidius über dem Purpur 
der maiestas populi anzulegen hat. 
In summa: selbst nach der überlieferten, vielleicht schon 
überlebten Formel „Hoheitsrecht = Polizeigewalt“ braucht man 
den öffentlichen Rechtscharakter der Post- und Telegraphenver- 
waltung nicht zu leugnen, sofern man nur die rechtshistorische 
Sachlage zutreffend würdigt. Erst recht nicht, wenn man sich 
entschließt, öffentlich-rechtliche Eigenschaft den Akten des Staates 
und seiner verfassungsrechtlich bestellten Organe grundsätzlich 
überall da zuzuerkennen, wo der Staat, das Gemeinwesen, auftritt 
in der Wahrnehmung des durch die Verfassung von Fall zu Fall 
25 Inzwischen scheint aber auch hier eine neue Auffassung sich anzu- 
melden: ein RGerErk. f. ZivilS. vom 30.1. 20 (426/19) gelangt, abseits von 
dem bisher allein für gangbar gehaltenen Wege über die Fiskustheorie, 
zur Aufstellung einer selbständigen Haftung der Zollverwaltung gegenüber 
dem Publikum allein aus öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten heraus; 
vgl. VerkehrsRdsch. Berlin 1921 Sp. 124.
	        
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