Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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Arbeit zerfällt in 3 Abschnitte: Gründe für die berufständische Vertretung, 
Gründe gegen dieselbe und Formen der berufständischen Vertretung. 
Dabei weist zunächst der Verf. mit Recht darauf hin, daß eine Ver- 
wendung der berufständischen Vertretung zur Abstufung des Stimmrechts, 
wie das von der alten Lehre zugunsten der früher herrschenden Stände, 
und von Lenin zugunsten des Proletariats verlangt und zum Teil durch- 
geführt wurde, heute für Deutschland nicht mehr in Frage kommt, da 
keine Klasse heute stark genug ist, um auf die Dauer sich durch dieses 
Mittel an der Macht erhalten zu können (S. 143/44). Dagegen werden 
heute 2 andere Gründe für eine irgendwie geartete berufständische Ver- 
tretung vertreten, einmal der Gedanke einer sachlichen Vertretung der 
Volksinteressen und andererseits die Möglichkeit, dadurch die jetzt außer- 
halb des Staates, ja oft gegen den Staat tätigen Berufsverbände wieder 
in denselben einzugliedern. Der erste Gedanke stützt sich hauptsächlich 
auf die Ueberzeugung, daß die Parteien in ihrer heutigen Form nicht mehr 
die Gesamtheit der politischen Zielsetzungen verkörpern können, da sie 
die auf die Masse wirkenden Gesichtspunkte mehr oder weniger ausschließ- 
lich in den Vordergrund schieben müssen. Wenn der Verf. dabei sagt: 
„der deutsche Volkscharakter hat dabei 2 Mittel besonders hervortreten 
lassen: das Ausspielen einer Volksklasse gegen die andere und das Ar- 
beiten mit unkontrollierbaren Zukunftsidealen (S. 146)“, so hat er damit leider 
im hohen Maße recht. Demgegenüber sei die Arbeit in berufständischen 
Vertretungen von vornherein weniger auf Phrasen, als auf sachliche Arbeit 
abgestellt und dadurch fiele auch eine Verständigung zwischen den ein- 
zelnen Interessen leichter. Der Verf. sieht allerdings den Hauptgrund für 
diese Erscheinung in der Tatsache, daß bei den Berufsverbänden das Ver- 
handeln, beim Parlament die Abstimmung das entscheidende Moment sei. 
Ließe man berufständische Vertreter in einem Parlament nur durch Ab- 
stimmung entscheiden, so würden sich wahrscheinlich dieselben Folgerungen 
ergeben, wie im politischen Parlament, das Ziel wäre auch dann nicht 
mehr die Verständigung mit dem Gegner, sondern das Niederstimmen des- 
selben. Daher stellt der Verf. die Forderung auf, daß Formen gefunden 
werden müssen, in denen die Berufsverbände sich ohne Abstimmung geltend 
machen können oder in denen doch wenigstens die Abstimmung keine ent- 
scheidende Rolle spielt. 
Der Hauptgrund für die Einführung der berufständischen Vertretung 
liegt aber für den Verf. in der Beseitigung des „Mißverhältnieses zwischen 
Staatsform und Bau des Volkskörpers*, das er darin erblickt, daß sich die 
Berufsorganisationen als Träger selbständiger Macht entwickelt haben, die 
außerhalb, ja gegen die verfassungsmäßigen Träger der politischen Gewalt 
geltend gemacht werden kann. Nun kann eine derartige Vertretung ver- 
schieden ausgestaltet werden. Man kann sie selbst zum Mitträger der 
Staatsgewalt machen, indem man das Wirtschaftsparlament gleichberechtigt
	        
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