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Regierung hineinzustellen. Erst eine Lösung des letzteren kann auch zu
einer Lösung des ersteren führen. Solange sie nicht erfolgt ist oder sich
allmählich durchsetzt, ist das englische Sprichwort men not measures, also
das Sichdurchsetzen bedeutender Führer zwar äußerlich im Rahmen, aber
tatsächlich gegen das Prinzip des heutigen Parteiparlamentarismus die
einzige Hoffnung auf allmähliche Gesundung unseres Staatslebens.
Daß es all diese wichtigen verfassungsorganisatorischen Fragen unseres
Staatslebens aufgerollt und zur Erörterung gestellt hat, darin liegt der
große Wert dieses bedeutenden Buches. Die heutige Staatsrechtslehre hat
sich zweifellos mit diesem Problem in systematischer Weise noch viel zu
wenig beschäftigt und das Buch füllt aus diesem Grunde eine große Lücke
aus. Ist es doch zweifellos eine Hauptaufgabe der heutigen Staatsrechts-
wissenschaft, wertvolle alte Errungenschaften des staatlichen Lebens, wie
die Idee des Rechtsstaates zu verknüpfen und in Einklang zu bringen mit
den durch das Volksleben getragenen neuen Kräften unserer Zeit. Nur
wenn sie das tut, wird sie der Aufgabe der wahren Wissenschaft gerecht,
nicht nur das Gewesene aufzuzeigen, sondern auch Wege in die Zukunft
zu weisen und damit eine organische Fortentwicklung des Staatslebens zu
ermöglichen. Das Buch des Verf.s bildet dazu einen wertvollen Beitrag,
an dem niemand vorbeigehen kann, der sich mit diesen heute so brennen-
den Fragen beschäftigen will.
Koellreutter.
Dr. Richard Schmidt, Professor an der Universität Leipzig: die Grund-
linien des deutschen Staatswesens. Leipzig 1919. Quelle
& Meyer. 2298. M. 3.—.
„Der deutsche Staat, wie er bisher gewesen ist“, wird uns hier in
einem sehr anschaulichen Ueberblick vorgeführt. Daran knüpft sich eine
kritische Betrachtung der neuen Reichsverfassung auf Grund des Textes
des II. Entwurfs (S. 189 ff... Hier ist namentlich die Schwäche der Rechts-
stellung, die dem Reichspräsidenten gegeben wurde, zutreffend hervorge-
hoben (S. 200 fi.).
Ueber die ganz besondere Rolle, welche das höhere Berufsbeamten-
tum bei der Ausbildung des deutschen Staatswesens gespielt hat, war schon
im geschichtlichen Teile gesprochen worden (S. 28 ff., S. 140 ff.); auch auf
die Verfallserscheinungen hatte der Verfasser nicht unterlassen hinzuweisen
(8. 143: „Korpsstudententum*®). Jetzt wird zum Schlusse die „schicksals-
schwere“ Frage aufgeworfen, wie es mit diesem Rückgrat des Staates in
Zukunft werden soll (S, 217 fi.). Otto Mayer.
Dr. jur. Josef Schmitt, Geheimer Finanzrat und Mitglied des Katholischen
Oberstiftungsrats in Karlsruhe: Staat und Kirche. Bürgerlich-