Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

—_— 276 — 
Neben dem Ministerpräsidenten ist aber auch der Landtag 
befugt, die Minister ohne Angabe eines Grundes zu entlassen und 
in gleicher Weise den Ministerpräsidenten selbst. 
Allein es wäre verkehrt, wenn man aus dieser Abhängigkeit der 
ministeriellen Existenz vom Willen des Landtags folgern 
wollte, daß auch die Ausübung der ministeriellen Befugnisse 
rechtlich vom Willen des Landtags abhängt. 
Das Recht, den Minister zum Rücktritt zu nötigen, ist gewiß 
ein politisches Druckmittel, den Minister den Wünschen des Land- 
tags gefügig zu machen. Aber doch eben ein politisches Druck- 
mittel ?%, dessen Anwendbarkeit die Wünsche des Landtags nie- 
mals zu rechtlich verpflichtenden Befehlen macht“. 
zu weit, wenn er behauptet: Der Satz des Art. 27 Abs. 1, daß die Mit- 
glieder des Gesamtministeriums zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des 
Landtags bedürfen, bedeute nichts anderes, als daß der Ministerpräsident 
bei der ihm zustehenden Ernennung und Entlassung der Mitglieder des 
Gesamtministeriums „vollständig gebunden“ sei. — SEYDEL sagt in seinen 
staatsrechtlichen und politischen Abhandlungen S. 124: „Im konstitutionell- 
monarchischen Staat ist der König in der Tat Herrscher. Es gibt keine 
Macht im Staate, die ihn zwingen kann. Nur dem Zwange der Notwendig- 
keit, die in den Dingen selbst liegt, ist er unterworfen gleich allen seinen 
Mitmenschen. Aber der König, der aus freier Entschließung seine Minister 
und Regierungsgrundsätze wechselt, indem er erklärt, er wolle Frieden 
mit seinem Volke haben, hat als Herrscher gesprochen, und zwar selbst 
dann, wenn in jenem Worte ein Opfer an persönlichen Meinungen und 
Wünschen zum Ausdrucke kommt.“ Auch der sächsische Ministerpräsident 
kann durch keine Macht im Staate rechtlich gezwungen werden., Und 
der Zwang der Notwendigkeit, der in den Dingen selbst liegt, sagen wir 
kurz der politische Zwang ist insofern größer, als seine Stellung als 
Ministerpräsident auf dem Spiele steht, insofern geringer, als er seine 
Stellung preisgeben kann, 
45 HeGEL hat nach G. JELLINEK, Schriften und Reden Bd. II S. 136 
das Wesen der konstitutionellen Verfassung darin erblickt, „daß der Fürst 
nicht dem Willen der Stände gehorchen muß, daß er aber auch nicht so 
gestellt ist, nicht nach dem Willen der Stände zu fragen.“ Die Regierung 
hat nach geltenden sächs. Staatsrecht sich um den Willen des Landtags 
zu kümmern, da sie von ihm jederzeit entlassen werden kann, aber 
gehorchen muß sie dem Landtage nicht. 
4 Auch der Rat der Volksbeauftragten übte seine Tätigkeit unter der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.