Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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‘zur Volksabstimmung der Rücktritt des Gesamtministeriums oder 
einzelner Minister nicht verlangt noch beschlossen werden, ihnen 
das Vertrauen zu entziehen. Der Landtag kann also die Auf- 
lösungsinitiative der Regierung nicht vereiteln. 
Es ist auch möglich, daß ein Ministerpräsident, der hervor- 
ragende Bedeutung, lebhafte Sympathie in weiten Kreisen der Be- 
völkerung und einen selbständigen Charakter besitzt, bei einer 
wichtigen Frage den Sieg davonträgt, ohne daß es zu einem of- 
fenen politischen Kampfe kommt, weil der Sieg des Landtags, 
wie dieser einsieht, durch die Entlassung oder den Rücktritt des 
Ministerpräsidenten zu teuer .erkauft wäre *”. 
VI. Man wird das Ergebnis, zu dem wir gelangt sind: Ab- 
hängigkeit der Regierung vom Landtage in ihrem Bestande, nicht 
  
7 RepsLoB, Die parlamentarische Regierung S. 138 schildert die Ver- 
hältnisse in Frankreich, das eine Auflösung des Parlamentes nicht kennt, 
wie folgt: Die Minister befänden sich unter der Leitung des Parlaments. 
Ihre Beherrschung sei absolut. Die Deputierten seien in der Lage, der 
Regierung willkürliche Beschränkungen aufzuerlegen. Das Gleichgewicht, 
das dis allgemeine Politik den Kammern zuweise und den Ministern er- 
laube, frei ın diesem Rahmen zu regieren, sei nicht gesichert. Nichts 
hindere die Legislative, auf das Gebiet der Exekutive überzutreten und 
den Gegner zu fesseln, bis er jeder Initiative beraubt sei. Es gebe nur 
noch ein einziges Organ im Staate. Es habe das andere seinem Willen 
unterworfen, es habe ein Werkzeug aus ihm gemacht. Es herrsche parla- 
mentarische Diktatur. Das ist die politische Lage. Allein REDSLOB 
fügt hinzu: „Die Minister erhalten keine wirklichen Befehle und aus 
diesem Grunde sind sie nicht vergleichbar mit Verwaltungsbeamten. Ihre 
Botmäßigkeit ist indirekt, sie wird auf einem Umweg verwirklicht. Die 
Minister wissen, daß, wenn das Parlament ihre Haltung mißbilligt, es ihre 
Gewalt zerbrechen wird. Und sie wissen, daß ihnen gegen eine solche 
Verurteilung kein Rekurs vor einem Schiedsrichter offen steht. So sehen 
sie sich in der Notwendigkeit, zu gehorchen oder zu weichen.“ Das ist 
die verfassungsrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes: die 
Minister müssen dem Parlament nicht gehorchen, sie können weichen. 
Die Dinge können sich auf dieser verfassungsrechtlichen Grundlage politisch 
anders entwickeln, als es tatsächlich der Fall ist. REDSLOB bemerkt: 
„So wächst diese Expayision ins ungemessene, statt wie in England durch 
Tradition und Kunst aufgehalten zu werden.“
	        
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