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gebung und Verwaltungsleitung allein besorge. Diese völlige
Gewaltenkonzentration sei das Leitprinzip für die Verfassung der
Länder geworden. Die Reichsverfassung habe vielmehr neben dem
Reichstag und den Ministern noch ein zweites Organ geschaffen,
den Reichspräsidenten. — „Die gesamte Regierungsführung durch
den Reichskanzler bewegt sich unter Verantwortung gegenüber
dem Reichstag. Dieser kann sie in jedem Einzelfalle selbst
in die Hand nehmen.“ — „Es kann an und für sich
jeder Verwaltungsakt zum Gegenstand einer
Entschließung des Reichstags gemacht werden, näm-
lich auf Grund des allgemeinen Prinzips der Abhängigkeit der
Regierung vom Reichstag. Aber es bedarf dazu eines besonderen
Verlangens im einzelnen Fall, sei es auf Initiative der Regierung
selbst (in Form einer Tagesordnung), sei es auf solche aus der
Mitte des Reichstags (in Form einer Interpellation). Solange sie
nicht erfolgt, trifft die Reichsregierung allein ihre Entschließung.
Sie gilt verfassungsmäßig als generell ermächtigt, alle Regierungs-
maßnahmen zu treffen, solange der Reichstag eine solche
nicht an sich zieht.* Weiter sagt R. ScHmipr®, daß
die Volksvertretung „die Verwaltungsleitung der Minister über-
wacht und gelegentlich einzelne Fragen der Verwaltung zu
eigener Entschließung an sich zieht oder das
Kabinett umbildet“.
Es ist unerfindlich, wie aus der Vorschrift in Art. 54 der
Reiehsverfassung °* abgeleitet werden kann, daß die Reichsregie-
rung nichts ist als ein aktiver Ausschuß, als ein Geschäftsführer
des Reichstags, der sich der Meinung und dem Willen desselben
zu fügen, der sich von ihm in Regierungsangelegenheiten beiseite
zu drücken lassen hat.
84.20.34.
5 Der Reichskanzler und die Reichsminister bedürfen zu ihrer Amts-
führung des Vertrauens des Reichstags. Jeder von ihnen ‚muß zurück-
treten, wenn ihm der Reichstag durch ausdrücklichen Beschluß sein Ver-
trauen entzieht.*