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erkannten Begriff gibt es überhaupt nicht und die Verfassung
sagt auch nirgends, daß sie auf dem Boden dieses Systems steht.
Vielmehr zeigt sie in ihren Einzelbestimmungen Bestandteile aus
verschiedenen Systemen.“
Wir müssen hiernach den Begriff der parlamentarischen
Regierungsweise näher ins Auge fassen.
VII. Parlamentarismus ist Beteiligung des Staatsvolkes durch
Vertreter an der Staatstätigkeit auf dem Gebiete der Gesetzgebung
und der Etatsfeststellung im allgemeinen Interesse, im Gegensatze
zur früheren ständischen Vertretung °°.
Parlamentarische Regierung ist mehr: es handelt sich um
eine Einwirkung des Parlamentes auch auf die Regierung,
um das Bestreben, eine enge Beziehung zwischen Parlament und
Regierung herbeizuführen, mit dem Ziele, daß die Regierung den
Wünschen des Parlaments entsprechend geführt werde.
Nach THOMA! „bezeichnet der hergebrachte und anerkannte
Sprachgebrauch als parlamentarisch jedes Regierungssystem, in
dem das Parlament das entscheidende Uebergewicht hat derart,
daß die Regierung nach dem Willen seiner jeweiligen Mehrheit
gestaltet sein muß, daß also eine in die Tiefe gehende Gewalten-
teilung zwischen Legislative und Exekutive beseitigt und die Har-
monie zwischen Parlamentsmehrheit und regierendem Kabinett
verbürgt ist*.
Die parlamentarische Regierung hat verschiedene Erscheinungs-
formen und die Maßnahmen zu ihrer Durchführung beruhen zum
Teil auf Rechtssätzen, zum Teil auf der tatsächlichen Gestaltung
der Rechtsverhältnisse, sind also in letzterem Falle bloß poli-
tischer Natur %.
® BeresterÄsser, Handbuch der Politik Bd. I (8) 8. 329; v. BLUME,
ebenda S. 343. Bisweilen wird auch unter Parlamentarismus die parla-
mentarische Regierung verstanden, vgl. AnSCHOTZ, unten bei Anm. 63,
6 Archiv des öffentl. Rechts Bd. 40 S. 235.
*: E. KAUFMANN, Handbuch der Politik Bd. III (8) S. 48: „Auch die
Ausgestaltung und praktische Durchführung aller Rechtsinstitute der