Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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zur Anrufung des Volksentscheids mittels Auflösung des Parla- 
ments und Anordnung von Neuwahlen zwingt.* 
Diese Gestaltung der parlamentarischen Regierung ist, wie 
LuKAs zutreffend darlegt, im Deutschen Reiche verwirklicht. 
Die eigentümliche Beziehung der Regierung zum Reichstage sei 
staatsrechtlieh dadurch hergestellt, daß das Kabinett zu 
seinem Bestande des Vertrauens des Reichstags bedürfe, Art. 54. 
Und auf politischem Gebiete entspreche diesem Verfassungs- 
erundsatze die Tendenz, die Mitglieder aus den Reihen der Par- 
lamentsmehrheit zu nehmen. 
Das einzige verfassungsrechtliche Mittel, das dem Reichstage 
gegeben ist, um seine Stellung und seinen Einfluß der Regierung 
gegenüber zu behaupten, ist die Entlassung des Reichskanzlers 
und der Reichsminister °%. Die Einwirkung des Reichstags bei 
ihrer Ernennung ist nur politischer Natur °°. Und erst recht die 
Beeinflussung der Regierung durch den Reichstag bei Ausübung 
° (4, JELLINEK, Schriften und Reden Bd. II S. 283: In dem Recht, die 
Minister zur Demission zu veranlassen, liegt der rechtliche Kernpunkt des 
parlamentarisch regierten Staates. „Es ist ein Staat, in welchem das 
Parlament die rechtliche Macht besitzt, die Minister zum Rücktritt zu 
zwingen,“ ” 
6" REHM a. a. O. S. 68f.: „Die Parteien ernennen die Minister für die 
Regel nicht unmittelbar, sondern empfehlen nur den Kandidaten. Die 
Regierung des Parlamentes ist also nur eine indirekte, auch in dem Sinne, 
daß das Staatshaupt rechtlich nicht an den Vorschlag gebunden ist. Der 
Staatschef kann sich weigern und statt dessen auflösen oder abdanken, 
oder mit dem einen oder anderen drohen. Der Staatschef hat auch beim 
parlamentarischen Regierungssystem die rechtliche Möglichkeit, Minister 
zu entlassen, die das Vertrauen der Kammern genießen, und Minister zu 
wählen, die nicht vom Ministerpräsidenten vorgeschlagen und die nicht im 
Vertrauen des Parlamentes sind. Solche Ernennungen sind gültig; es 
könnte ja sonst zu Zeiten, wo es kein Parlament gibt (Ablauf der Wahl- 
periode) gar kein Ministerium gebildet werden. Aber das Staatsoberhaupt 
ist dann politisch genötigt, die Kammer aufzulösen und, wenn das Volk 
dieselbe Mehrheit zurückschickt, Männer zur Ministerbildung zu berufen, 
von denen anzunehmen ist, daß sie in der Lage sind, die Parteimehrheit 
hinter sich zu haben.“
	        
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