Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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licht, in der, wie G. JELLINEK’* berichtet, „der Chef der exeku- 
tiven Gewalt der Autorität der Nationalversammlung untergeordnet 
war. Und zwar hat er ursprünglich nur die Stellung eines Minister- 
präsidenten, der das Recht hat, seine Kollegen zu wählen; erst 
durch das Gesetz vom 31. August 1871 wird ihm der Titel eines 
Präsidenten der Republik zuteilund er über dasvon ihm ernannte Mini- 
sterium hinausgehoben, ohne deshalb der Unterordnung unter die 
gesetzgebende Gewalt entbunden zu werden.“ VAN HUSEN ”° bemerkt 
dazu: „Auch wenn ein Staatshaupt gänzlich fehlt, und der Chef 
der exekutiven Gewalt nicht nur politisch, sondern auch rechtlich 
dem Parlament untersteht, wıe in Frankreich von 1870 bis 1875, 
ist doch das Ministerium ein mittelbares Organ, da es dann recht- 
lich den Weisungen des Parlaments in allen Einzelheiten zu folgen 
hat, und dieses jederzeit das Recht besitzt, die Entscheidungen 
des Kabinetts zu ändern, auch wenn es dasselbe trotz eines solchen 
Willensgegensatzes weiter im Amte beläßt“ "®. 
Daß in der sächsischen Verfassung dieser Typus nicht ver- 
wirklicht ist, ergibt sich aus folgenden Erwägungen ”°*. 
Wäre die Regierung ein dem Landtag untergeordnetes Organ, 
so hätte es nicht der Vorschrift von Art. 5 bedurft, daß der 
Landtag die Politik und Verwaltung üherwacht. Das verstünde 
sich von selbst, würde ohne weiteres aus der Unterordnung folgen. 
  
  
74 Allgemeine Staatslehre (3) S. 734. 
= A,a. 0.5.43. 
”® Die Entscheidung, ob die Minister Beamte sind ist, wie VAN HUSEN 
a. a. 0.8.48 zutreffend bemerkt, von großer praktischer Bedeutung wegen 
der erheblichen Folgen, die sich in staatsrechtlicher, zivilrechtlicher und 
strafrechtlicher Hinsicht daran knüpfen. 
76® Der Antrag des unabhängigen Sozialdemokraten Dr. Cohn im Ver- 
fassungsausschuß der Nationalversammlung, dem Reichstag unmittelbar 
administrative und richterliche Funktionen zu übertragen, wurde mit Ent- 
schiedenheit von dem Reichsminister Dr. Preuß und dem Verfassungsaus- 
schuß abgelehnt, weil dadurch der Reichstag aufhören würde, ein ver- 
fassungsrechtlich erträgliches Organ zu sein und zum revolutionären Konvent, 
zum russischen Sowjet würde.
	        
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