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Die sächsischen Minister sind Staatsminister in dem Sinne des
Wortes, daß sie nicht Landtagsminister sind.
Noch Eins. So wenig die sächsischen Minister dem Land-
tage untergeordnet sind, so wenig tragen sie die Verantwortung
für die Beschlüsse des Landtags. RITTER ”’® sagt: „Eine vom
Landtag gewählte Regierung, die die Staatsgewalt selbst ausübt
und verantwortet, könnte kaum Staatsministerium genannt werden;
der Begriff Minister setzt im neuzeitlichen Staatsrecht stets das
Vorhandensein einer Persönlichkeit voraus, für die er die Verant-
wortung trägt.“ Die sächsische Verfassung hat sich über dieses
terminologische Bedenken hinweggesetzt, die sächsischen Minister
sind nur für eigene Entschließungen verantwortlich, nicht für die
des Landtags.
IX. Wir haben gesehen: die Mitglieder der Regierung sind
keine Minister im bisher üblichen Sinne des Wortes, obgleich sie
so heißen. Wir kommen nunmehr zu der positiven Frage: welch’
staatsrechtlicher Charakter ist dem Gesamtministerium,
dem Ministerpräsidenten, den Ministern beizulegen?
SCHELCHER °® führt folgendes aus: „Mindestens ein unmittel-
bar selbständiges Organ muß jeder Staat besitzen; ist ihm eine
Mehrheit solcher gegeben, so muß, wenn nicht das Staatswesen
in Verwirrung stürzen soll, einem von ihnen der höchste, im
Streitfalle entscheidende Wille zukommen. Das ist das souveräne
Organ (im Staate), das Staatsoberhaupt. In der konstitutionellen
Monarchie ist dies der Monarch, in der repräsentativen Republik
ist es, je nach der Stellung, die hier dem Präsidenten eingeräumt
ist, der Präsident (Amerika) oder das Parlament (Frankreich).
Bei diesen Staatsformen ist es aber nicht das Volk, wenn es auch
in der Verfassung als das souveräne, die gesamte Staatsmacht
Anwendung, soweit sich nicht ans ihrer verfassungsmäßigen Stellung
oder aus diesem Gesetze etwas anderes ergibt.“
772 Auf dem Wege zum Volksstaat, S. 34,
78 FISCHERs Zeitschrift Bd. 49 S. 3871f.