Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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besitzende Organ bezeichnet wird, wie z. B. in Belgien. Denn 
das Volk als Gesamtheit der Staatsbürger hat eben nicht die 
Fähigkeit, einen gültigen Willen zu äußern. Der Begriff der 
Volkssouveränität ist daher ohne rechtlich wirksame Bedeutung. 
Der höchste Wille kommt hier juristisch immer nur dem König 
bzw. dem Staatspräsidenten oder der Volksvertretung zu. Im 
Freistaat Sachsen ist nach dem vorläufigen Grundgesetz zunächst 
das letzte Verhältnis gegeben.“ 
Dagegen möchte ich folgendes einwenden. Man muß unter- 
scheiden zwischen Träger der Staatsgewalt und Staatshaupt. 
Staatshaupt, d. h. Inhaber der Regierung, ist auch in Frankreich 
der Präsident. Träger der Staatsgewalt ist in Demokratien, auch 
in repräsentativen, immer das Volk, nicht das Parlament; der 
Begriff der Volkssouveränität im Sinne der höchsten Gewalt im 
Staate hat rechtlich wirksame Bedeutung. Weshalb soll das 
Volk, d. h. die Gesamtheit der Stimmberechtigten ”®, nicht die 
Fähigkeit haben, einen gültigen Willen zu äußern? Es wählt 
doch, es stimmt doch ab beim Volksentscheid, beim Volksbegehren ®°, 
7% MEYER-ANSCHÜTZ (7) S. 20 Anm. 6. — van Husen a. a. 0.8. 70£.: 
„Zweifellos richtig, daß nie alle Mitglieder des Volkes an der staatlichen 
Willensbildung beteiligt sein können, und somit das Volk in diesem Sinn 
kein Staatsorgan ist. G. JELLINEK hat auch seine Repräsentationslehre 
ausdrücklich darauf aufgebaut, daß Staatsorgan „nur derjenige Teil des 
Volkes sei, dem verfassungsmäßig die Ausübung staatlicher Funktionen in 
geringerem oder größerem Umfange zukommt“, also die Aktivbürger. — — 
Wenn JELLINEK und die herrschende Lehre trotz dieser Erkenntnis immer 
das Volk als Staatsorgan bezeichnen und sich nicht jedesmal besonders 
auf die Aktivbürger beziehen, so folgen sie damit der feststehenden 
Terminologie, welche nun einmal auf diesen Sprachgebrauch in Worten 
wie Volksherrschaft und Volksvertretung festgelegt ist. Es besteht auch 
eine Berechtigung, an diesem Gebrauch festzuhalten, denn da doch nie alle 
Mitglieder des Volks Aktivbürger werden können, so trägt die Bezeichnung 
Volk statt Aktivbürger diese natürliche Beschränkung in sich. Aber die 
Gleichstellung von Volk und Aktivbürgern ist nur dann zulässig, wenn 
die Aktivbürger nicht auf einzelne bestimmte Klassen des Volkes be- 
schränkt sind.* 
8° Dieser Wille ist kein Wille im psychologischen Sinne. Unter Volks- 
19*
	        
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