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Republik mit unmittelbar-demokratischen Einrichtungen, wie Refe-
rendum und Initiative Es ist richtig, daß das Volk auch hier
viel seltener handelt als das Parlament und daß seine Tätigkeit
sich auf Wahl und Beschlußfassung durch Abstimmung beschränkt.
Man hat wohl mit Rücksicht hierauf anstatt der Formel: die
Staatsgewalt ruht auf dem Volke, liegt bei dem Volke°® die
andere gewählt: die Staatsgewalt geht vom Volke aus, so die
sächs. Verfassung Art. 2. Aber es bleibt doch dabei, daß das
Volke das primäre unmittelbare Organ über dem Parlament, dem
sekundären unmittelbaren Organe steht, daß es das höchste Organ
ist, der Träger der Staatsgewalt, wie die preußische Verfassung
ausdrücklich besagt®”. Man wendet vielleicht ein: ®® die höchste
Gewalt ruhe nicht wirklich beim Volke, da die Verfassung ge-
ändert und alle verfassungsmäßigen Volksrechte beseitigt werden
könnten, ohne daß sich das Volk dagegen wehren könne, denn
es fehle das obligatorische Verfassungsreferendum. Darauf ist zu
erwidern: das ist richtig, aber es handelt sich um die verfassungs-
rechtliche Beurteilung der Dinge, wie sie gegenwärtig liegen,
nicht wie sie sich möglicherweise künftig entwickein.
Um die verfassungsrechtliche Stellung „der Regierung“ rich-
tig zu verstehen, muß man, wie folgt, unterscheiden.
Subjekt der Staatsgewalt ist der Staat selbst.
Die Einzelpersonen oder Personenmehrheiten, die zur Aus-
übung der Staatsgewalt berufen sind, sind die Organe des
Staates. Die sächs. Verf. Art. 2 Abs. 2 macht als Staatsorgane
namhaft das Volk, den Landtag, die Behörden.
se So der erste Entwurf der Reichsverf.
s? WULFEN, Verhandlungen der Volkskammer Bd. IV S. 3668 hat
befürwortet, daß die Bestimmung der preußischen Verfassung in Art. 2 der
sächsischen Verfassung aufgenommen werde. Sie lautet: „Träger der
Staatsgewalt ist die Gesamtheit des Volkes.“ Unter Gesamtheit ist nicht
die Gesamtheit der Staatsangehörigen gemeint, es handelt sich nur um
die Stimmberechtigten. Es soll aber jede Diktatur des Proletariate, jedes
Rätesystem nach russischem Muster ausgeschlossen sein,
s® W, JELLINEK Jahrb. des öffentl. Rechts Bd. IX S. 85.