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tung der Beamten im In- und Auslande verbreitete Ansicht, der
Beamtenkörper hätte durch seinen Widerstand die Proletarier-
diktatur unmöglich machen können, nicht begründet, denn die
Proletarierdiktatur wäre ohne Zweifel auch in letzterem Falle aus-
gerufen worden und hätte sich behaupten können — länger als
die von Entbehrungen zermürbten, nicht organisierten und oben-
drein uneinigen, in zwei Lager gespaltenen Beamten einen etwaigen
Widerstand auszuhalten vermocht hätten. Im gegebenen Falle
war die einzig mögliche, auch taktisch und vom patriotischen
Gesichtspunkte einzig richtige Lösung die, daß jeder, der nicht
entfernt wurde, an seinem Platze blieb. Von einigen wenigen
bedauerlicehen Ausnahmen abgesehen, haben die Staatsbeamten sich
redlich bemüht, das Land und ihre Mitmenschen vor dem Aergsten
zu bewahren, sind unschuldigen Leuten — wo sie nur konnten —
nach Kräften hilfreich beigestanden, haben sie und ihr ehrlich
erworbenes Vermögen beschützt. Von Haß und Rachsucht ge-
leiteten Verfolgungen und Verheerungen haben sie Halt zu bieten
versucht, und so ist es im Endergebnisse nur ihnen zu danken,
daß die alten Verwaltungsorgane nach Sturz der vier Monate
währenden Schreckensherrschaft ihre Tätigkeit sofort überall
wieder aufnehmen und ohne größere Schwierigkeiten fortsetzen
konnten.
Zugleich war es eine gute, wenn auch freilich harte Schule,
den Bolschewismus aus unmittelbarer Nähe kennen zu lernen.
Gerade die Gewerkschaft der öffentlichen Angestellten hat durch
ihre Einfügung in den Proletarierstaat die Klärung der Klassen-
stellung der geistigen Arbeiter auf die Tagesordnung gestellt.
Und diese Frage war eine der heikelsten des Sowjet. Selbst in
der Parteipresse herrschten diesbezüglich die größten Gegensätze.
Je nach der Tagesstimmung, den momentan wichtigsten Interessen
wurden die öffentlichen Angestellten bald als Proletarier, bald als
Bourgeois behandelt. Proletarier war der Staatsbeamte, wenn
es hieß, er müsse roter Soldat werden, Bourgeois aber, wenn