Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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geltendes Recht. Wenn also das Land Braunschweig unter der Herr- 
schaft der RV. daran gegangen wäre, das Synodalwahlrecht der evan- 
gelisch-lutherischen Landeskirche von sich aus zu regeln, so würde 
dieses Landesgesetz dem Verbot des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 RV. 
widersprochen haben. Es würde von dem entgegenstehenden Reichs- 
recht „gebrochen“, d. h. beseitigt sein. 
4. Aber die Kraft des Art, 137 Abs. 3 Satz 1 RV. reicht noch weiter. 
Ihm widerspricht auch ein Landesgesetz, welches vor dem Inkraft- 
treten der RV. geschaffen ist, wenn dieses Landesgesetz einen staat- 
lichen Eingriff in die Verwaltung einer Religionsgesellschaft enthält 
und wenn es erst unter der Herrschaft der RV. ausgeführt werden 
soll. Es ist dann durch die vor der RV. liegende Landesgesetz- 
gebung ein Zustand geschaffen worden, der unter der Herrschaft 
der RV. nicht hätte geschaffen werden dürfen, und der deshalb 
unter ihrer Herrschaft auch nicht fortdauern darf. So lagen die 
Verhältnisse in Braunschweig. Als die RV. in Kraft trat, hatte 
der Staat Vorschriften über das Synodalwahlrecht der evangelisch- 
lutherischen Landeskirche erlassen, die er unter der Herrschaft 
der RV. nicht mehr erlassen konnte. Nach diesem Wahlrecht darf 
deshalb unter der Herrschaft der RV. auch nicht mehr gewählt 
werden. Eine Vorschrift, welche diese Wahl trotzdem anordnet, 
steht mit der RV. in einem unvereinbaren Gegensatz und muß ihr 
weichen. 
gez. Predari Specht Hoerner Ungewitter 
Schirmacher Mentzel Schliewen. 
Il. 
Die Reichsgerichtsentscheidung betrifft eine Frage, welche von 
Bedeutung ist weit über die Grenzen von Braunschweig hinaus und 
vor allem in Preußen noch der endgültigen Lösung harrt. Es ist die 
Frage nach dem Begriff der öffentlich-rechtlichen Körperschaft im 
Sinne von Artikel 137 der Reichsverfassung. 
Das Reichsgericht stützt seine Entscheidung auf den Satz Art. 137 
Abs. 3: 
„Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegen- 
heiten selbständig.“ 
Man darf aber nicht vergessen, daß dieser selbe Satz sich für die 
evangelische und katholische Kirche auch schon in Artikel 15 der 
alten Preußischen Verfassung befand. Trotzdem hielt man es für
	        
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