Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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rechtes zur verfassunggebenden Kirchenversammlung. Hier standen 
sich in Preußen zwei Richtungen gegenüber, von denen die eine den 
bisherigen stufenförmigen Aufbau beibehalten, die andere zu Urwahlen 
greifen wollte. Als es sich nun herausstellte, daß bei den verfassungs- 
mäßigen Organen der Kirche keine Neigung zu Urwahlen bestand, da 
erklärten die drei Minister, daß sie anderenfalls einer Einberufung 
der Generalsynode nicht zustimmen würden. Es wurde auch weiter 
kein Zweifel daran gelassen, daß die Staatsregierung in solchem Falle 
die diesbezüglichen Gesetze dem Landtage nicht zur Bestätigung vor- 
legen werde. Schließlich kam dann ein Vergleich zustande, der dahin 
ging, daß die verfassunggebende Kirchenversammlung von den neu 
gewählten Gemeindevertretungen zu wählen sei. Tatsächlich war das 
alles genau derselbe Vorgang, der sich auch in Braunschweig abge- 
spielt hat, nur in anderer Form. Auch in Preußen hat die Staats- 
gewalt die Frage des Wahlrechtes zur verfassunggebenden Kirchen- 
versammlung maßgebend beeinflußt; nur ist es hier nicht zum Konflikte 
gekommen, weil schließlich ein Vergleich zustande kam. Materiell 
lag die Sache in Braunschweig und in Preußen wesentlich gleich; 
formell besteht der allerdings große Unterschied, daß in Braunschweig 
die betreffenden Bestimmungen in einem Staatsgesetze niedergelegt 
wurden, in Preußen dagegen in einem Kirchengesetze. 
Nun liegt der eigentliche Grund der ganzen Frage aber noch viel 
tiefer, und es ist nicht anzunehmen, daß mit diesem Reichsgerichts- 
urteil endgültige Klarheit geschaffen ist. In Preußen wurden nämlich 
jene Wahlgesetze dem Landtage vorgelegt und ein Staatsgesetz vom 
8. Juli 1920 besagt, daß sie „soweit erforderlich, staatsgesetzlich be- 
stätigt werden“ (GS. S. 401). Dasselbe geschah später in bezug auf 
die kirchlichen Wahlgesetze in den neuen Provinzen, aber mit dem 
bemerkenswerten Vorgange, daß das bestätigende Staatsgesetz in der 
verfassunggebenden Landesversammlung durchfiel und erst in dem 
neu gewählten Landtage mit knapper Mehrheit durchging. Was ge- 
worden wäre, wenn es auch hier wieder durchgefallen wäre, ist eine 
Frage, die noch manchen Juristen und manchen Politiker nach ihrer 
grundsätzlichen Seite hin beschäftigen. wird! 
Warum nun eigentlich diese kirchlichen Wahlgesetze einer staats- 
gesetzlichen Bestätigung bedurften, ist niemals klargestellt worden. 
Ich selbst habe mich bei der Beratung der entsprechenden kirchlichen 
Wahlgesetze in den neuen Provinzen im Landtage auf den Standpunkt 
gestellt, daß eine staatsgesetzliche Bestätigung nicht notwendig sei,
	        
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