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eben mit Rücksicht auf Artikel 137 der Reichsverfassung. Ich bin
aber nicht durchgedrungen, weil man es vorzog, die offensichtlich
vorhandene augenblickliche Mehrheit lieber zu einer Bestätigung zu
benutzen; ein Fehler bleibt es trotzdem, denn nun ist der Grundsatz
festgelegt.
Was nun den Standpunkt der Staatsregierung angeht, so zeigt
sich dieser in der Begründung zu dem Staatsgesetze betr. das kirch-
liche Wahlrecht in den alten Provinzen, wo folgendes’ gesagt wird:
„Das im Art. 137 Abs. 3 der Reichsverfassung den Religions-
gesellschaften eingeräumte Recht, ihre Angelegenheiten selbständig ' zu
regeln, bezieht sich auf die innerkirchlichen Angelegenheiten; das
Körperschaftsrecht als solches ist staatliches Recht. Soweit daher
Kirchengesetze in dieses staatliche Recht hinübergreifen, bedürfen sie
auch in Zukunft der staatsgesetzlichen Bestätigung.“
Damit nimmt also die Staatsregierung ein weitgehendes Recht
der Mitbestimmung in Anspruch, und es fragt sich, wieweit sie damit
recht hat. Da liegt nun der Schlüssel zur Sachlage in folgender
Stelle derselben Begründung:
„Die drei Kirchengesetze bedürfen aber der Bestätigung durch
ein Staatsgesetz.
Die evangelische Kirchengemeinde wie auch die evangelischen
Landeskirchen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nach
Art. 137 Abs. 5 der Reichsverfassung bleiben sie es. Durch das
kirchliche Gemeindewahlgesetz und das Kirchengesetz, betreffend eine
außerordentliche Kirchenversammlung zur Feststellung der künftigen
Verfassung, werden jedoch die Grundlagen geändert, auf denen die
Willensbildung der Kirchengemeinden und der Landeskirche als Rechts-
subjekte des öffentlichen Rechts beruhen. Die Körperschaftsrechte
der Kirchengemeinden gründen sich auf die durch die Staatsgesetze
vom 25. Mai 1874 (Gesetzsamml. S. 147) und vom 28. Mai 1894
(Gesetzsamml. S. 87) bestätigte Kirchengemeinde- und Synodalordnung
vom 10. September 1873 (Gesetzsamml. 8. 418), die der Landeskirche
auf die durch die Staatsgesetze vom 3. Juni 1876 (Gesetzsamml. $. 125)
und vom 28. Mai 1894 (Gesetzsamml. S. 87) bestätigte Generalsynodal-
ordnung vom 20. Januar 1876 (Gesetzsamml. S. 8).
Das Willensorgan der Kirchengemeinde, der Gemeindekirchenrat,
durch den auch die vermögensrechtliche Vertretung der Kirchenge-
meinde erfolgt, soll in Zukunft gebildet werden nicht mehr nach den
Vorschriften der Kirchengemeinde- und Synodalordnung, sondern nach
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