Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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dem neuen kirchlichen Gemeindewahlgesetz, das Willensorgan der 
Landeskirche, soweit die Neuregelung der Kirchenverfassung in Frage 
kommt, nicht durch die Generalsynode, sondern durch die verfassung- 
gebende Kirchenversammlung.“ 
Man muß diese Stelle vollkommen durchdenken, um die tatsäch- 
liche Tragweite zu erfassen. Man sieht nämlich bei genauerem Zu- 
sehen, daß hier zwei Dinge völlig auseinandergehalten werden: die 
Willensbildung in der Kirche und die vermögensrecht- 
liche Vertretung. Die Regierung sagt in dieser Beziehung, 
daß durch die neuen Wahlgesetze neue Organe zur Willensbildung 
geschaffen werden sowohl in den Gemeinden wie in der Gesamtkirche, 
und es wird dann hinzugesetzt, daß der Staat hiergegen nichts einzu- 
wenden habe. Von-der vermögensrechtlichen Vertretung aber ist die 
Rede nur in bezug auf die Gemeindeorgane. Hier war auch gar 
nichts anderes möglich, denn die Presbyterien bleiben ihrem Begriffe 
nach erhalten, auch wenn sie nunmehr anders gewählt werden. Da 
aber auch das Wahlrecht in stark liberalem Sinne verändert worden 
ist, erklärt sich die Staatsgewalt eben damit einverstanden, daß auch 
die Presbyterien in ihrer neuen Gestalt die vermögensrechtliche Ver- 
tretung ausüben. In bezug auf die Kirche im ganzen findet sich von 
vermögensrechtlicher Vertretung nichts in der Begründung und es 
kann mit aller Bestimmtheit gesagt werden, daß die Kirche hier 
bewußt irregeführt worden ist. Und das folgendermaßen: 
Als die außerordentliche Generalsynode zusammentrat, um die 
Wahlgesetze für die verfassunggebende Kirchenversammlung zu be- 
schließen, besagte der Entwurf des Wahlgesetzes für diese Versamm- 
lung in $1, daß von ihr die künftige Kirchenverfassung „festgestellt“ 
werden solle. Als nun Zweifel geäußert wurden, ob hier auch nicht 
weitere Schwierigkeiten verborgen liegen könnten, wurde ein Antrag 
angenommen, die Fassung zu nehmen: „festgestellt und erlassen.“ 
Die Staatsregierung nahm daran keinen Anstoß und auch dieser Zu- 
satz fiel mit unter die staatsgesetzliche Bestätigung. Was aber die 
Staatsregierung sich dabei dachte, ergibt sich sehr einfach aus jener’ 
Begründung: die Bestimmungen über Willensbildung in der Kirche 
mag die Kirche „feststellen und erlassen* — ob aber die nunmehr 
eingesetzten Organe auch zur vermögensrechtlichen Vertretung befugt 
sind, ist eine ganz andere Frage! Hier liegt der Schlüssel für die 
Stellung der Staatsregierung! Wenn die Kirche sich neue Organe 
bestellt, werden diese nicht imstande sein, irgendeine vermögensrecht-
	        
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