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der souveränen Instanz einer nach räumlichen Gesichtspunkten abgegrenzten
menschlichen Gemeinschaft gesetzten Imperativ- und solche Urteilsnormen,
denen eine positive Beziehung zu den Imperativen innewohnt.
Noch viel stärker als im vorigen empfindet man hier, wo mit dem Be-
griff der Souveränität in im übrigen einleuchtenden Ausführungen operiert
wird, die bewußte, ja hartnäckige Ausschaltung des Staates und der Staats-
gewalt als eine klatfende Lücke.
Vollends aber bei der Betrachtung des Nebeneinanderbestehens
der Gesetzessysteme und Gesetzesgemeinschaften der Erde,
Die verschiedenen Gesetzessysteme sind nicht scharf abgeschieden. Es gibt
„Kondominate* und Personen, die gleichzeitig Gesetzesuntertanen mehrerer
Gesetzesgemeinschaften sind. Es schieben sich die verschiedenen Gesetzes-
gemeinschaften mehr oder minder ineinander. Dieses Bild wird noch ver-
worrener, wenn man die Erscheinung der „hinausgreifenden“ Gesetzes-
imperative hinzunimmt. Dann erhalten wir ein kaum entwirrbares Bild ver-
strickter Normenkomplexe. Da erhebt sich natürlich die Frage, ob nicht ein
höheres Normensystem besteht, das hier Ordnung hält. So taucht das
Problem des Völkerrechts auf. Da aber das Völkerrecht von Staaten ge-
setzt und für Staaten gültig ist, deshalb (?) muß nunmehr zunächst der
Staatsbegriff geklärt werden. Beide Probleme (Staat und Völkerrecht) sollen
aber nur soweit behandelt werden, wie es das Thema — der Gesetzes-
begriff — erfordert. So gelangt denn W. endlich zur Untersuchung des
Begriffes Staat. Hätte er diese Untersuchung nicht schon an viel früherer
Stelle, spätestens vor Beginn des dritten Abschniltes seiner Darstellung, an-
stellen müssen ?
IV. Zwecks Feststellung des allgemeinen Staatsbegriffs geht W.
sehr richtig von der zweifellosen Staatserscheinung aus, wie sie der sou-
veräne Staat darstellt. Unter einem Staat kann man entweder die
Staatsgemeinschaft oder die Staatsperson verstehen. Die Staatsgemein-
schaft deckt sich mit der alle Gesetzesuntertanen umfassenden Gesetzes-
gemeinschaft; sie bildet ein wesentliches Merkmal des sie schon enthalten-
den Gesetzesbegriffes. Dagegen setzt die Staatsperson das fertige
Gesetz voraus. Das die Staatsperson begründende Merkmal ist eine
Konstruktion des Rechts, nämlich die gleiche Qualifizierung der einzelnen
Staatshandlungen durch das Gesetz in Form der Zurechnung derselben
zu dem gleichen Subjekt, der Gesamtperson „Staat“. Staatliches Handeln
ist gesetzlich einheitlich qualifiziertes Handeln von Menschen. Der Gesetz-
geber macht hierbei die Staatsgemeinschaft zum Subjekt von Tun und
Lassen, er personifiziert sie. Die staatlich handelnden Menschen sind
Organe der verpersönlichten Staatsgemeinschaft. Ein weiterer, Staats-
gemeinschaft und Staatsperson umfassender Staatsbegriff besteht nach W.”
Ansicht nicht. Nur wenn man die beiden nicht zu vereinigenden Begriffe
Staatsgemeinschaft und Staatsperson peinlich auseinanderhält, kann man