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lasse, für den Staatscharakter ausspreche; vom Recht als „Staat“ be-
zeichnete Gebilde seien solange Staaten im allgemeinen Sinne, als sie
nicht zweifellos die Grenze des Begriffes der Nichtstaatlichkeit überschritten
hätten; da nun die RV. die Länder als Staaten qualifiziere, seien sie auch
Staaten im allgemeinen Sinne. Die Länder seien also Grenzfall-Staaten,
das Reich ein Grenzfall-Bundesstaat. Diesen Ausführungen muß ich wider-
sprechen. Zunächst erscheint es mir in tatsächlicher Beziehung fraglich,
ob man bei den heutigen Ländern die Nichthomogenität mit einem wirk-
lichen Staat noch in Zweifel ziehen darf. Sodann aber glaube ich in recht-
licher Beziehung die Maßgeblichkeit eines letztinstanzlich entscheidenden
positiven Rechtes unter allen Umständen auf den diesem konkreten Recht
entsprechenden besonderen Staatsbegriff dieses Rechtes beschränken
und eine Erstreckung dieser Maßgeblichkeit auf den allgemeinen
Staatsbegriff unbedingt ablehnen zu müssen. Nicht aus einem einzelnen,
sondern nur aus einer Vielheit positiver Staatsrechte läßt sich der all-
gemeine Staatsbegriff abstrahieren. Nach alledem sind m. E. die Länder
zwar Staaten im Sinne des besonderen deutschen, nicht aber des allgemeinen
Staatsbegriffes. \
Endlich lenkt W. auch hier unseren Blick auf das Nebeneinander-
bestehen der Staatspersonen. Wie die Gesetzgebungs-, schieben
sich auch die Staatswirkungs-Bereiche ineinander, indem jeder Staat hinaus-
wirkend Imperative an ausheimische Staatsangehörige und fremde Staats-
personen erteilt, ohne aber die Normen des fremden Staates jemals ohne
dessen Willen in der ihnen eigenen Geltung aufheben zu können. Den
herkömmlichen Grundsatz der Ausschließlichkeit oder Undurchdringlichkeit
des Staatsgebietes, wonach ein fremder Staat in ihm nur mit seiner Zu-
stimmung Herrschaft üben kann, lehnt W. als mit den Tatsachen unverein-
bar ab: Viele hinausgreifende Imperative entbehren der positivrechtlichen
Billigung des fremden Staates und sind doch nicht rechtlich verboten,
sondern fallen, weil der fremde Staat sie ignoriert, als ihm indifferente
Handlungen in den von seinen Rechtsnormen nicht erfüllten Raum. Be-
steht nun ein Normensystem über den souveränen Staaten, welches ihr
Nebeneinander maßgeblich regelt und Kollisionen entscheidet? Diese Frage
betrifft bereits das große Problem des Völkerrechts, das nunmehr eingehend
beleuchtet wird.
V. Das Völkerrechtsproblem erfordert zunächst eine Klärung
der Form und des Inhaltes der völkerrechtlichen Normen, ehe die prinzi-
pielle Frage nach dem Verhältnis von Gesetz und Völkerrecht beantwortet
werden kann.
Zur Feststellung der Bildungsform des Völkerrechts ist, wie beim
Gesetz, von zweifellosen, unstreitigen Völkerrechtsnormen auszugehen.
Solche sind in gewissen, nämlich rechtsetzenden Staatsverträgen
enthalten. Bei der Prüfung ihrer Entstehungsweise „dürfen wir nicht von