Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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Interessengemeinschaft erst noch die rechtliche Regelung hinzutreten müsse, 
damit man von einer Rechtsgemeinschaft sprechen könne. Folglich gebe 
es soviele Völkerrechtsgemeinschaften, wie es völkerrechtlich geregelte 
Interessengemeinschaften von Staaten gebe. Man könne auch nicht von 
der Völkerrechtsgemeinschaft als der Gesamtheit der Staaten, für die über- 
haupt Völkerrechtsnormen gälten, sprechen. Denn es fehle eine Zentral- 
Instanz, ein einheitliches Rechtssystem. Folglich könne die Völkerrechts- 
gemeinschaft in diesem Sinne auch nicht Geltungs- und Erkenntnisgrund- 
lage des Völkerrechts sein. Ebensowenig eigneten sich dazu die einzelnen 
zwischenstaatlichen Interessengemeinschaften, denn auf sie könne nur die 
Geltung der sie speziell regelnden Völkerrechtsnormen gegründet werden. 
Es beständen also viele verschiedene, koordinierte Geltungsgrundlagen 
bzw. Völkerrechte. Das Völkerrecht jedes Staates habe denselben Geltungs- 
grund wie sein Gesetzesrecht. Nur so könnten Kollisionen zwischen beiden 
Normenkomplexen jedes Staates ausgeschlossen werden. Andernfalls be- 
stände die Möglichkeit, daß ein Vertrag zugleich völkerrechtlich gültig 
und staatsrechtlich unwirksam wäre, eine juristische Unerträglichkeit, der 
die herrschende Lehre ohnmächtig gegenüberstehe. Nach alledem dürfe 
der Ausgangspunkt für die Erkenntnis des Völkerrechts nicht außerhalb 
des Staates gesucht werden. Die zwischenstaatlichen Interessen bildeten 
nicht die Geltungsgrundlage, sondern nur die entfernteren Ursachen oder 
inneren Bestimmungsgründe der Völkerrechtsnormen. 
Nur von diesem Standpunkt aus erscheint W. eine befriedigende 
Lösung des Völkerrechtsproblems möglich. Daraus, daß das Ge- 
setz des vertragschließenden Staates die Bildungsform seines Völkerrechts 
bestimmt, ergibt sich, daß die Völkerrechtsnormen mit derselben Verbind- 
lichkeit wie Gesetzesnormen gelten. Wie das Gesetz, gilt das Völkerrecht 
aus dem Staat, für den Staat, gegen den Staat. Völkerrecht ist staat- 
liches Recht, organischer Teil der einheitlichen Rechts- 
masse des staatlichen Rechts, von letzterer nur abgeteilt 
durch die eigenartige Bildungsform des zwischenstaat- 
lichen Vertrages. Völkerrecht ist kein dem staatlichen übergeordnetes 
oder höheres Recht, kein Uebergesatzes- oder UVeberstaats-Recht, sondern 
dem Gesetz untergeordnet, also auch durch Normen des Gesetzes aufhebbar. 
Infolgedessen ist ausgeschlossen, daß eine Anordnung nach Völkerrecht 
gültig, nach innerstaatlichem Recht ungültig sei. Daraus ferner, daß 
Völkerrecht soviele Geltungsgründe wie Kontrahenten hat, folgt, daß seine 
Normen mit mehrfacher Autorität gelten. Das Völkerrecht gilt aus jedem 
der es vereinbarenden Staaten, für jeden und gegen jeden. Es ist gemein- 
sames Recht jener Staaten, dessen Gemeinsamkeit nicht juristisch zufällig, 
sondern rechtlich gewollt, durch die Bildungsform bedingt ist. Es gibt 
soviele koordinierte Völkerrechtskreise wie verschiedene Gesetzessysteme. 
Jedes staatliche Rechtssystem hat seine innerstaatliche und seine völker-
	        
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