Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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Die völkerrechtssetzende Vereinbarung verpflichtet den Staat, folglich auch 
geine Organe. Was W. gegen diese These ins Feld führt, ist von seiner 
Grundauffassung aus folgerichtig. Anderseits läßt gerade die TRIEPELSche 
Völkerrechtstheorie doch ernste Zweifel an der Richtigkeit eben dieser W.' 
Grundauffassung wach werden. Die Ansicht v. VERDROSS’ beweist nach W., 
wie die Macht der überlieferten Vorstellung vom Völkerrecht als einem in 
seiner Geltung dem einseitigen Willen der Vertragsstaaten entrückten Recht 
selbst solche, die auf dem richtigen Wege waren, vom Ziel abführt. SOMLO 
endlich leugnet das Völkerrecht ganz, erkennt seine Normen überhaupt nicht 
als Rechtsnormen an. Besonders interessant ist der Exkurs über Artikel4 
der Reichsverfassung, wenngleich recht wenig schmeichelhaft für 
die Verfasser dieses Artikels, deren Völkerrechtskenntnisse in einem recht 
trüben Lichte erscheinen. W. weist überzeugend nach, daß sich die Väter 
des Art. 4 seiner Tragweite gar nicht bewußt gewesen sind. Die eingehende 
Analyse der Entstehungsgeschichte und der juristischen Grundgedanken des 
Art. 4 ergibt folgendes Resultat: Durch diese Vorschrift wird an den Tat- 
bestand der Entstehung des Völkerrechts die Erzeugung des von diesem 
gebotenen, bisher noch nirgends vorhandenen Rechts geknüpft. Dieses 
Recht ist im gebietenden Völkerrecht nur erst inhaltlich formuliert. Kraft 
der Klausel des Art. 4 wird dieser Inhalt mit der Entstehung des ge- 
bietenden Völkerrechts ohne weiteres zu geltendem Reichsrecht, Art. 4 
stellt nicht etwa fest, daß die allgemein anerkannten Völkerrechtsnormen 
organischer Bestandteil des deutschen Rechts seien, sondern bestimmt, daß 
das von diesem Völkerrecht geforderte Recht für Behörden und Bürger un- 
mittelbar, ohne weiteren Rechtsetzungsakt, entsteht. Gleichwohl wollte 
Art. 4 die besonderen Verfassungsvorschriften über die Gesetzgebung (z. B. 
Mitwirkung von Reichsrat und Volksreferendum) nicht ausschalten. Daher 
ist die Bedeutung des Art. 4 dahin einzuschränken, daß er das ihm gemäße 
innerstaatliche Recht unmittelbar (ohne Mitwirkung der Gesetzgebungs- 
organe) nur insoweit hervorbringt, als dieses in einer von der RV. nicht 
besonders geregelten Form entsteht, nämlich als Gewohnheitsrecht. Mithin 
besitzt Art. 4 praktische Bedeutung nur für das Völkergewohnheits- 
recht. 
Zum Schluß wendet W. die Folgerungen seiner Grundauffassung vom 
Völkerrecht auf zweibesondere völkerrechtlicheStreitfragen an. 
Die erste Streitfrage betrifft den Zeitpunkt der Entstehung 
zwischenstaatlichen Rechtes mit Bezug auf die Zustimmung der Volks- 
vertretung und anderer Staatsorgane. Hierfür ist in jedem Staat sein 
Staatsrecht in Verbindung mit seinem Völkerrecht maßgebend; doch kann 
die Antwort für jeden Staat nur einheitlich, nicht etwa nach den beiden 
bezeichneten Rechtsausschnitten verschieden lauten, weil ein Widerspruch 
zwischen zwei organischen Abteilungen eines und desselben Rechtssystems 
nicht möglich ist. Nach dem geltenden Reichsrecht begründet Art. 45 III
	        
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